Die Häufung von zehn negativen Ereignissen seit Anfang Jahr sei ungewöhnlich, sagte Philippe Gauderon, Leiter der SBB Infrastruktur. «Objektiv betrachtet, liegt kein Muster vor, das auf systematische Probleme hindeutet.»
Mit anderen Worten: Die Unfälle haben keinen gemeinsamen Nenner mit Ausnahme von drei Signalzwischenfällen.
Trotzdem: Eine solche Pannenserie deutet darauf hin, dass das System Eisenbahn irgendwie überlastet ist. Dieser Meinung ist jedenfalls Bahn-Experte Walter von Andrian. «Sicherheit und Zuverlässigkeit, Nachfrage und Leistungsvermögen sind nicht mehr im Gleichgewicht», sagte er zu Radio SRF4.
Für die Verantwortlichen hingegen ist klar, dass die Ursachen nicht in der Überlastung des Netzes zu suchen sind. Die Infrastruktur sei stark belastet, die SBB mache aber alles, damit sie nicht ans Limit komme, sagte Hans Vogt, Leiter Sicherheit und Qualität.
Auf Sicherheit getrimmt
«Bahnfahren in der Schweiz ist selbstverständlich sicher und wird sogar immer sicherer», sagte Vogt. Dies belegen die von der SBB präsentierten Zahlen zu Un- und Zwischenfällen: Zusammenstösse und Entgleisungen werden immer weniger, unterliegen aber statistischen Schwankungen. Auch die Zahl der Signalfälle nimmt den Statistiken zufolge ab.
Die Zwischenfälle werden nun detailliert untersucht, wie die Verantwortlichen versicherten. Die Wirksamkeit von bereits getroffenen Massnahmen werde geprüft und – falls notwendig – zusätzliche Massnahmen ergriffen.
Konkret beobachtet die SBB nach den Vorfällen den Meldeprozess zwischen Lokführern und Betriebsführung und den Freigabeablauf nach Bauarbeiten. Weiter werden Lieferfirmen und Drittunternehmen verstärkt auf Sicherheit getrimmt und die Verladevorschriften besser geschult.
Situation bei Lokführern unter der Lupe
Ein besonderes Augenmerk gilt auch dem Personal. Die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) warnt in einer Mitteilung davor, dass die Produktivität bis ans Äusserste gesteigert wird.
Beispielsweise würden Pikett-Dienste reduziert, sodass weniger kompetente Leute auf dem Streckennetz verteilt seien, sagte SEV-Sprecher Peter Moor. Dies führe etwa zu längeren Wartezeiten bei technischen Störungen oder Zwischenfällen.
Bei den Lokführern würden die Lenkzeiten – innerhalb der sozialpartnerschaftlichen Vereinbarungen – ausgeschöpft, was unter anderem zu kürzeren Pausen und Wendezeiten führe. Da stelle sich schon die Frage, ob das Personal technisch so abgesichert sei, dass nichts passiere. «Die Lokführer sind nicht überfordert, aber überlastet», sagte Moor.
Die SBB weist den Vorwurf zwar zurück, will die Lokführersituation laut Vogt dennoch «ohne Tabu» überprüfen.
SBB Infrastruktur spart nicht
Zugleich wird Vogt nicht müde zu erklären, dass bei der Infrastruktur in den vergangenen Jahren beim Personal keine Abstriche gemacht worden seien. Im Gegenteil, die Zahl der Mitarbeitenden sei innerhalb von fünf Jahren von 9200 auf 9700 gestiegen.
Auch seien letztes Jahr mehr Mittel für das Netz – das meistbefahrene in Europa – eingesetzt worden: 552 Millionen Franken für den Unterhalt und 1,1 Milliarden für den Substanzerhalt.
Die unmittelbaren Kosten und Folgekosten der Zwischenfälle konnte die SBB noch nicht beziffern. Die SBB rechnet mit einem Schaden in Millionenhöhe. Die Bahn sei aber für solche Fälle versichert, erklärt der Leiter SBB Infrastruktur.