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Schweiz Schnüffelt die NSA aus Wirtschaftsinteressen in der Schweiz?

Auf den Spionage-Listen des Whistleblowers Edward Snowden findet sich auch der Name eines Schweizer Bürgers: Der ehemalige Spitzendiplomat Nicolas Imboden, der auf der Seite von afrikanischen Staaten gegen amerikanische Wirtschaftsinteressen kämpft. Die Behörden in Bern hüllen sich in Schweigen.

Die Spur führt in die Genfer Altstadt an den Sitz der international tätigen Organisation Ideas Center, die sich für die Integration von Drittweltstaaten in den Welthandel einsetzt. Hier wirkt der ehemalige Schweizer Spitzendiplomat Nicolas Imboden. Sein Name ist in einer umfangreichen Spionage-Datenbank aufgelistet, die der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Sonwden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

«Die Überwachung hat überbordet»

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Nicolas Imboden glaubte zuerst an einen Witz: «Ich konnte mir nicht vorstellen, warum ich auf eine solche Liste kam. Ich fragte mich: Warum?» Der mögliche Hintergrund: In den Jahren 2008 und 2009 beriet Imboden afrikanische Länder, die von den USA forderten, die eigene Baumwollproduktion weniger stark zu subventionieren. Offenbar wollten die Amerikaner Imbodens Verhandlungsposition kennen. Das habe nichts mit Terrorbekämpfung zu tun: «Aber als ich gemerkt habe, dass es nicht um nationale Interessen in Bezug auf Sicherheit geht, sondern um rein wirtschaftliche Vorteile, da fand ich es schon nicht mehr akzeptabel und es zeigt auch, dass die ganze Überwachung meiner Meinung nach überbordet hat.»

Nicolas Imboden schaltete schliesslich den Schweizer Geheimdienst ein. Der Nachrichtendienst des Bundes nahm die Sache offenbar ernst, vor allem weil Imbodens Notebook in der fraglichen Zeit auf mysteriöse Weise gestohlen worden war. Erst auf Nachfrage orientierte ihn der NDB über das Resultat der Untersuchung: «Nach einer gründlichen Analyse stellten unsere Experten fest, dass Ihre Computer nicht mit aktiven Spähprogrammen infiziert sind. Das ist eine gute Nachricht, aber es schliesst leider nicht vollständig aus, dass sensible Daten abhanden gekommen sind.» Überhaupt könne der Nachrichtendienst des Bundes nicht verhindern, dass Schweizer Bürger von amerikanischen Geheimdiensten ausspioniert würden.

Rechtsanwalt: «Snowden kann Zugang zu Dokumenten verschaffen»

Die Politik in Bern hüllt sich in Schweigen über die Aktivitäten der NSA in der Schweiz. Paul Niederberger, Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation und Nidwaldner CVP-Ständerat, erfährt erst durch die Rundschau-Recherchen vom Fall Imboden – und gibt keinen Kommentar dazu ab: «Die Frage ist: Was ist der Mehrnutzen, wenn man mehr Informationen bekäme. Es würde gar nicht viel mehr bringen, als was man bisher schon weiss.» Auch auf eine Einladung des Whistleblowers Snowden in die Schweiz hat die GPDel verzichtet.

Sein Rechtsanwalt in der Schweiz, Marcel Bosonnet, sagte gegenüber der Rundschau: «Snowden kann sehr wohl über die Dokumente Auskunft geben, die er hatte und welche er auswertete. Er kann auch Zugang zu den Dokumenten verschaffen. Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, wenn man es wirklich aufklären will, dass man Snowden in der Schweiz befragt.»

Der Bundesrat hat sich eingehend mit der NSA-Affäre auseinandergesetzt und Spionagetätigkeiten, die Schweizer Gesetze verletzten, mit einer diplomatischen Note verurteilt. Doch hat der Sicherheitsausschuss der Landesregierung in einem geheimen Beschluss die Akte Snowden anschliessend beiseite gelegt? Dies behauptet ein Insider. Es werde nicht untersucht, was die NSA gegenwärtig in der Schweiz mache. GPDel-Präsident Niederberger kann sich nicht an einen solchen Beschluss erinnern: «Wir erhalten so viele Akten, ich kann nicht sagen, ob wir das tatsächlich sahen oder nicht.» Die GPDel habe Beschlüsse des Bundesrats nicht zu kommentieren.

Die Aktivitäten bleiben im Dunkeln

Die bereits veröffentlichten Snowden Dokumente des amerikanischen Geheimdienstes deuten auf ein Doppelspiel der Schweiz hin. Dieses hochgeheime Papier hat die Einstufung NO Foreigners, ist also selbst für ausländische Geheimdienste nicht zugänglich. In der Gruppe B befinden sich Länder, die von den USA offensiv ausspioniert werden, selber aber auch mit der der NSA zusammenarbeiten. Hier finden wir auch die Schweiz. Um einen Interview-Termin mit Nachrichtendienstchef Markus Seiler bitten wir vergeblich. Der Rundschau wird mitgeteilt: «Der Nachrichtendienst des Bundes tauscht mit der NSA keine Daten direkt aus. Es existiert kein Abkommen NDB-NSA. (..) Letzte Kontakte waren Ende 2012.»

Nicolas Imboden hat per Brief bei der US-Mission protestiert. Es gehe ihm ums Grundsätzliche: «Genf als Sitz internationaler Organisationen ist nicht sicher vor illegaler Abhörungen. Es wäre an der Schweizer Regierung, das mit den Amerikanern hart aufzunehmen. Auch wenn man es nicht unterbinden kann. Aber wenigstens sollten wir klar darlegen, dass das im Prinzip nicht akzeptabel ist und die Schweiz es nicht akzeptiert.»

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