Mehr Ernährungssicherheit fordert der Schweizerische Bauernverband, der heute seine Initiative eingereicht hat. Die Bauern wollen insbesondere, dass der Bund für genügend Lebensmittel aus heimischer Produktion sorgt. Die Massnahmen sind vage: Zum Beispiel sollen die Produktionsbedingungen für die Bauern verbessert werden. Stichwort: Selbstversorgung steigern, denn ein grosser Teil unserer Lebensmittel wird importiert.
Doch es gibt auch andere Ideen, die schon heute einen höheren Selbstversorgungsgrad ermöglichen würden. Eines dieser Konzepte vertritt Eric Meili, Bergbauer und Agrar-Experte der Forschungsanstalt für biologischen Landbau FiBL.
Experte: Intensive Mast ist kein Konzept für die Schweiz
Wenn Meili von seinen 30 Weide-Mast-Rindern auf einer Bündner Alp spricht, bringt er den Kern seiner agrarpolitischen Überzeugung auf den Punkt: Den Tieren geht es blendend. Sie sind 100 Tage auf der Alp, wo sie zwar nicht so schnell wachsen wie im Tal, aber deren Konstitution und Gesundheit sind hervorragend.» Seine Rinder ernähren sich nur vom Gras der Weide, während ihre Artgenossen im Mittelland mit Kraftfutter wie Soja oder Mais gemästet werden.
Die im Talgebiet weit verbreitete intensive Mast-Landwirtschaft hält Meili für komplett falsch: «Die traditionelle intensive Mast ist eigentlich gar kein Konzept für die Schweiz, weil sie nur im Ackerland möglich ist. Die ganzen Wiesen und Weiden in der Hügel- und Bergzone in den Alpen können bei der intensiven Mast gar nicht gebraucht werden.»
Meili plädiert entsprechend für eine andere Bodennutzung, wenn tatsächlich mehr Ernährungssicherheit und eine höhere Selbstversorgung der Schweiz erreicht werden sollen: «Man kann nicht mehr herausholen, als Gras- und Ackerland zur Verfügung steht. Man müsste umschwenken und die graslandbasierte Produktion fördern.»
Graslandbasierte Haltung als Alternative?
Graslandbasierte Produktion fördern heisst: Mehr Grasfresser wie Rinder und Kühe auf die Weiden lassen, dafür weniger Schweine und Hühner in den Ställen mästen. Die Vorteile dieses radikalen Vorschlags: Die Bauern müssten zum einem weniger Mastfutter importieren und hätten zum anderen mehr Ackerfläche zur Verfügung, um Getreide oder Kartoffeln für die Speisekarte des Menschen anzubauen.
Meili ist nicht alleine mit seiner Forderung: Eine Greenpeace-Studie kam letztes Jahr zu einem ähnlichen Schluss. Und das Bundesamt für Landesversorgung schreibt, dass die Schweiz mit ihrer Topographie für die graslandbasierte Rindviehhaltung prädestiniert sei.
Eine vollständige Selbstversorgung wäre in der Schweiz aber auch mit einer kompletten Umstellung der Landwirtschaft unmöglich. Zu hoch ist die Abhängigkeit vom globalen Agrarhandel: Kein Land importiert pro Kopf so viel. Gesamthaft kommt die Schweiz auf einen Selbstversorgungsgrad von 50 bis 60 Prozent.
Es geht um Geld und Ernährungsgewohnheiten
Selbstversorgung ist eine Illusion, sagt Meili. Aber das Gedankenspiel lohne sich: «So würde man sehen, wie eine schweizerische Eigenversorgung überhaupt aussehen könnte.»
Der Bauernverband will also dafür sorgen, dass der heutige Selbstversorgungsgrad nicht abnimmt. Die Vorstellungen von Meili gehen den Bauern aber zu weit: Denn sie müssten mit massiven Ertragseinbussen rechnen, weil die Rindermast mehr hergibt als Rinder, die nur Gras fressen.
Auch die Konsumenten müssten ihre Essgewohnheiten radikal umstellen: Viel weniger Fleisch essen, dafür mehr Getreide, Gemüse und Früchte.
Bauernverband: Massgebend, was der Konsument will
Für den Präsidenten des Bauernverbandes, Markus Ritter, kann es nicht Aufgabe der Bauern sein, die Menschen ernährungstechnisch zu erziehen: «Hier ist vor allem massgebend, was der Konsument wünscht. Wenn er in der Schweiz Fleisch essen will und wir weniger produzieren, wird noch mehr Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch importiert.»
Bauernpräsident Ritter gibt aber zu, dass zu einer ehrlichen Diskussion über Selbstversorgung, wie sie jetzt mit der Bauern-Initiative lanciert wird, auch Ernährungsfragen gehören. Auch wenn sie unbequem sind.