Zwei Wochen sind seit dem spektakulären Greenpeace-Protest in der Arktis vergangen. Nun hat die russische Justiz alle 30 inhaftierten Umweltschützer als Piraten angeklagt. Den Männern und Frauen aus 19 Ländern drohen jeweils bis zu 15 Jahre Haft. Unter ihnen ist auch Marco Weber, ein Schweizer.
Für Greenpeace wird der Fall zum schwersten Konflikt mit einer Regierung seit fast 30 Jahren. Dabei hatte Kremlchef Putin davor gewarnt, die Aktivisten als Piraten abzustempeln.
«Alle haben ihre Unschuld beteuert»
Doch die Ermittler in der nordrussischen Stadt Murmansk sehen die Lage anders. Bereits am Mittwoch waren 14 Aktivisten wegen bandenmässiger Piraterie angeklagt worden. Am Donnerstag folgte dasselbe Verdikt gegen die übrigen 16 Besatzungsmitglieder des Aktionsschiffs «Arctic Sunrise». Das teilte das nationale Ermittlungskomitee in Moskau mit. Alle Beteiligten hätten in den Verfahren ihre Unschuld beteuert und sonst keine Aussagen gemacht.
Die Anwälte der Umweltschützer legten am zweiten Tag der Anklageverlesung in Murmansk auch Einspruch gegen die Haftbefehle ein. Eine erste Gerichtsverhandlung dazu erwartet Greenpeace nach eigener Darstellung an diesem Freitag.
Unter den Angeklagten befinden sich auch der russische Fotograf Denis Sinjakow, der von Greenpeace engagiert worden war, um über die Aktion zu berichten, sowie der britische Videoreporter Kieron Bryan.
Greenpeace will bis nach Strassburg gehen
Greenpeace wies die Vorwürfe der Piraterie als «unzutreffend, unbegründet und illegal» zurück. Die Umweltschutzorganisation kündigte an, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg zu ziehen.
Greenpeace-Direktor Kumi Naidoo kritisierte das Vorgehen als «schwerste Bedrohung des friedlichen Umweltprotests» seit der Versenkung des Aktionsschiffs «Rainbow Warrior» in Auckland 1985 durch französische Geheimagenten. Damals kam ein Aktivist ums Leben.
Aktivisten wollten ein Transparent befestigen
Bei der Aktion in der Arktis habe es sich um einen friedlichen Protest in der Petschorasee gehandelt, hiess es. Die Männer und Frauen hatten versucht, auf die Ölplattform «Priraslomnaja» des Staatsunternehmens Gazprom zu gelangen. Nach eigenen Angaben wollten sie dort ein Transparent befestigen. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hatte am 19. September ein gewaltsames Ende erzwungen.
Weltweit protestierten nach Greenpeace-Angaben bislang mehr als 775'000 Menschen in Schreiben an russische Botschaften gegen das Vorgehen der Behörden. In Berlin ketteten sich zwei Aktivisten an eine Erdgas-Tanksäule von Gazprom.
«Ein Leck hätte katastrophale Folgen»
Greenpeace dokumentierte die Solidaritätsbekundungen im Kurznachrichtendienst Twitter und dankte den Unterstützern.
Die Umweltschützer werfen Gazprom vor, mit Bohrungen das Ökosystem der äusserst anfälligen Arktis zu gefährden. Ein Leck hätte ihrer Ansicht nach katastrophale Folgen für die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt der noch weitgehend unberührten Region. Dort wird etwa ein Viertel der weltweiten Öl- und Gasvorräte vermutet.