Heidi Diethelm hat vor zwei Jahren alles auf die Karte Olympia gesetzt: die Sportschützin kündigte ihren Job. Für ihre täglichen Lebenskosten setzte die Mutter eines Sohnes ihr Erspartes ein. Damit sei sie über die Runden gekommen. Aber längerfristig reiche das nicht aus.
«Ich habe meine persönlichen Ressourcen langsam aufgebraucht», sagt Diethelm. «Finanziell, aber auch die viele Trainingszeit, die ich investiert habe. Aber es hat sich schliesslich jetzt ausgezahlt.»
Diethelm und ihr Mann wohnen bei ihrer Mutter – das entlastet das Budget. 50'000 bis 75'000 Franken erhält sie von Verband, Sporthilfe, Kanton und einigen kleineren Sponsoren. Dieses Geld setzt sie wieder ein für Auslagen beim Training, Wettkämpfe und für ihr Team, zu dem auch ihr Mann gehört. Er hat sein Pensum auf 50 Prozent reduziert.
Kein Förderungssystem
Jahrein, jahraus ein hartes Training absolviert auch Ruderer Mario Gyr. Erst mit den jüngsten Erfolgen kam auch Geld herein bei dem Olympia-Goldmedaillen-Gewinner. «Bis vor zwei, drei Jahren haben wir überhaupt nichts verdient. Das ist in der Schweiz einfach so: Wir haben ein Belohnungssystem, kein Förderungssystem.»
Das sei schlecht, sagt Gyr: «Gerade in den Randsportarten ist es entscheidend, dass man die Leute zwischen 17 und 25 Jahren fördert. Gerade in Sportarten, wo die Bäume nicht von heute auf morgen in den Himmel wachsen. Wo man Zeit braucht, wie etwa in Ausdauersportarten. Da braucht es viele Jahre lang hartes Training.»
Nur 14‘000 Franken jährlich
Gerade bei jungen Athleten trage die Hauptlast oft die Familie, sagt Swiss-Olympic-Direktor Roger Schnegg. Abgesehen von wenigen Ausnahmen kämen die meisten Leistungssportler nur schlecht über die Runden, kritisiert er. Fast die Hälfte verdienen gar nur 14‘000 Franken im Jahr, so das Ergebnis einer Studie.
«Die Schweiz muss sich überlegen, ob ihr Leistungssport und Medaillen wichtig sind. Ob dies einen Mehrwert für die Gesellschaft bringt. Wir sind davon überzeugt. Entsprechend muss der Staat wie in anderen Ländern auch mehr Geld investieren. Obschon wir ganz klar auch keinen Staatssport wollen», sagt Schnegg.
Diese Forderung ist bereits politisch lanciert. Swiss Olympic droht, die Schweiz verliere sonst den Anschluss an die Spitze. Der Bund müsse sparen, entgegnete Bundesrat Guy Parmelin. Das Parlament wird noch dieses Jahr darüber entscheiden, ob der Bund mehr Geld in den Spitzensport investieren soll.
Für Roger Schnegg wäre das eine lohnende Investition. «Einerseits bringen Spitzensportler unheimlich viel Image-Gewinn für die Schweiz, aber auch einen gewissen Stolz und Zusammenhalt», so Schnegg. «Gerade bei den Medaillen-Gewinnern sieht man das gut. Aber auch die Talente, die es nie an die olympischen Spiele schaffen, lernen sehr früh, strukturiert durchs Leben zu gehen, langfristig zu planen, Leistung zu bringen, zu verlieren, wieder aufzustehen, Risiken einzugehen. Das sind alles Eigenschaften, die die Schweiz weiterbringen.»
Leidenschaft mit Herzblut finanziert
Heidi Diethelm wird nun Kassensturz machen, um zu sehen, wie lange sie sich den Profisport noch leisten kann. «Grundsätzlich wäre es schön, wenn ich so weitermachen könnte als Profisportlerin. Aber es muss etwas mehr dabei herausschauen als bisher. Es war absehbar für zwei Jahre, aber jetzt müssen wir schauen, wie wir die nächsten zwei Jahre über die Runden kommen. Und dann wird sich zeigen, ob ich vielleicht doch wieder einen Job annehmen muss.»
Heidi Diethelm hat ihre Leidenschaft mit Herzblut finanziert. Übrigens: Für ihre Bronzemedaille erhält Heidi Diethelm von Swiss Olympic eine Prämie von 20'000 Franken.