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Flüchtlinge, die aus dem Zug aussteigen
Legende: Im November 1956 kamen die ersten ungarischen Flüchtlinge am Grenzbahnhof Buchs SG an. Keystone/Archiv

Schweiz «Sie schenkten uns Fünfliber und übergaben den Frauen Blumen»

60 Jahre ist es her, seit Zehntausende von Flüchtlingen aus Ungarn in die Schweiz gekommen sind. Die Flüchtlinge wurden in der Schweiz mit offenen Armen empfangen. Die Grosszügigkeit ihnen gegenüber sei überwältigend gewesen, erinnert sich ein Betroffener.

Kasimir Magyar

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Kasimir Magyar wurde 1935 in Ungarn geboren. 1956 floh er in die Schweiz, wo er bis heute lebt. Nach seinem Studium und seiner Dissertation hatte er verschiedene Professuren inne. Zugleich arbeitete er in den Marketingabteilungen schweizerischer und europäischer Firmen. Er war beispielsweise der persönliche Berater des Mövenpick-Präsidenten.

SRF News: Was war Ihr erster Eindruck, als Sie in die Schweiz kamen?

Kasimir Magyar: Unvergesslich bleibt mir, wie unser Zug in Buchs eingefahren ist. Hunderte, wahrscheinlich Tausende von Leuten waren dort und haben uns mit Orangen und Bananen beschenkt. Das war uns unbekannt. Sie schenkten uns auch Fünfliber und übergaben den Frauen Blumen. Einen Tag später war ich in der Quarantäne in der Kaserne Liestal. Dort hat man sich dann erkundigt, wohin wir gehen wollten. Ich habe mir gedacht, ich würde gerne Wirtschaft studieren. Am 23. Dezember haben mich dann Vertreter der Studentenschaft der Hochschule am Hauptbahnhof St. Gallen empfangen.

Sie konnten damals noch nicht richtig Deutsch und haben eine schwierige Materie studiert; wie muss man sich das vorstellen?

Der Empfang in St. Gallen sowohl von der Bevölkerung wie auch an der Hochschule war absolut einmalig. Sie haben uns täglich Deutschkurse organisiert. Oft kam auch der Leiter der Ungarnhilfe, Professor Willy Geiger dazu. Er hat uns gesagt, wir sollten uns keine Sorgen machen, sie sorgten für alles.

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Aber wir müssten gut sein, am besten besser als die Schweizer. Und bereits drei Monate später mussten wir die ersten Prüfungen machen. Es war ein unglaubliches Fördern und Fordern gleichzeitig. Mehr als 80 Prozent haben die Prüfung im ersten Anlauf bestanden. Heute wäre es wohl verpönt, von den Leuten zu verlangen, dass sie arbeiten und lernen müssen. Ich bin froh, dass es damals so war. Wir mussten schnell lernen.

Sie sagten, Sie wurden herzlich empfangen? Wie haben Sie das als Flüchtling erlebt?

Wir waren selber erstaunt, es war eine breite Masse, die da war, um uns willkommen zu heissen und uns zu helfen. Man kann es nicht beschreiben, was wir gefühlt haben. Es war eine riesige Gastfreundschaft und eine Aufnahmebereitschaft.

Was war Ihr speziellste Erlebnis?

Oh, ich hatte viele spezielle Erlebnisse. Das wichtigste war vielleicht, dass ich oft versuchte, grosszügig zu sein. Ich konnte dadurch oft Leute unterstützen, unter anderem auch Schweizer. Ich habe das sehr gerne gemacht und es ist gut angekommen.

Das Gespräch führte Iwan Santoro.

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