In der Schweiz gibt es für die Sozialhilfe eine Berechnungsgrundlage. Sie basiert auf den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). Die SKOS-Richtlinien sind Empfehlungen an die Sozialhilfeorgane auf Bundes-, Kantons- und Gemeinde-Ebene sowie an die private Sozialhilfe.
Die Richtlinien der SKOS werden erst durch die kantonalen Gesetzgebungen, sowie durch die Rechtsprechung auf Gemeindeebene verbindlich. Sie werden durch Fachleute ausgearbeitet. Das Entscheidungsgremium über die Richtlinien besteht aber aus Vertretern aus Bund, Städten, Gemeinden und privaten Organisationen.
Auch alle Kantone sowie das Fürstentum Liechtenstein sind vertreten, die Delegierten werden von der jeweiligen Kantonsregierung geschickt. Durch die Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums sollten die Richtlinien möglichst breit abgestützt werden.
«Die meisten Kantone halten sich an die Richtlinien»
Die Richtlinien der SKOS haben den Zweck, als Referenzgrösse für die Berechnung und Ausgestaltung der Sozialhilfe zu dienen. Die kantonalen Unterschiede bei den Leistungen für Sozialhilfebezüger sollen verringert werden. So soll ein «Sozialhilfetourismus» verhindert werden.
SKOS-Co-Präsidentin Therese Frösch erklärt: «Die meisten Kantone halten sich an die Richtlinien. Diese sind ein Leitfaden, sie sind nicht sakrosankt. Die Sozialhilfe setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen, dazu gehören auch kantonsspezifische Spezialitäten.»
Doch in verschiedenen Kantonen will man sich nicht an die Vorschläge der Konferenz halten. Schon in den vergangenen Jahren traten einzelne Gemeinden aus der SKOS aus. Nun wollen mehrere Kantone ihre Sozialhilfe unter den gesamtschweizerischen Standards ansetzen.
Findet ein «Negativwettbewerb» statt?
Frösch bedauert die Entwicklung: «Es findet derzeit ein Dumping in der normalen Unterstützung statt. Ich befürchte, dass das langsam zunehmen könnte. Kleine Gemeinden sind oft überfordert mit den Kosten.» Es sei ein strukturelles Problem. Deswegen bräuchte es ein Bundesrahmengesetz zum Lastenausgleich, so Frösch. «Dieser ist derzeit sehr ungleich. Es gibt eine Art Negativwettbewerb.»
Der Regierungsrat im Kanton Schwyz will die Sozialhilfe generell reduzieren – Sozialhilfeempfänger sollen deutlich weniger Geld erhalten. Künftig sollen sie maximal 90 Prozent der Unterstützung erhalten, welche die SKOS in den Richtlinien festlegt.
Ein Drittel der Bezüger ist unter 17 Jahren alt
Kosten liefen aus dem Ruder, Gemeinden würden belastet, Missbrauch komme vor – und in der Bevölkerung wachse der Unmut, sagen die Befürworter der Kürzung, die bürgerlichen Parteien. Sie wollten «ein Zeichen setzen», sagten manche Redner.
Die SKOS-Co-Präsidentin erklärt, es würden in der Debatte Kosten und Missbrauch vermischt: «Gegen Missbrauch gibt es bereits heute eine gesetzliche Handhabe mittels Sanktionen gegen Personen, die sich der Zusammenarbeit verweigern.»
Der Schwyzer Regierungsrat wehrt sich gegen eine generelle Reduktion um zehn Prozent. Wie Frösch beruft sich auch dieser auf die bereits bestehenden Sanktionen wie individuelle Leistungskürzungen für renitente Bezüger. Zudem treffe die Verschärfung die Falschen – ein Drittel der Sozialhilfebezüger sind Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren.
Nidwalden wird strenger – trotz kleinster Sozialhilfequote
In der Zentralschweiz scheint die harte Hand im Bezug ein Trend zu sein: Der Nidwaldner Landrat hat das neue Sozialhilfegesetz angenommen – obschon der Kanton mit 0,9 Prozent die tiefste Bezügerquote der ganzen Schweiz hat. Die möglichen Sanktionen gehen viel weiter als die von der SKOS empfohlenen.
Es sei heute schon möglich, die Sozialhilfe für eine gewisse Zeit auf das Minimum der Nothilfe zu beschränken, so Frösch. Kritik in Nidwalden am neuen Gesetz kam von Seiten der Fraktion SP/Grüne. Landrat Leo Amstutz sagte, die Regierung trete auf das Sozialhilfeschmarotzer-Karussell auf. Dies, obwohl von 42‘000 Nidwaldnern nur mal 370 auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Selbst Unterstützer des Gesetzes mahnten zur Vorsicht. So anerkannte SVP-Landrat Peter Waser, dass die Anwendung eine Gratwanderung sei. Es sei nicht immer leicht festzustellen, was Schicksal, was selbstverschuldet und was Missbrauch sei.