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Schweiz Späte Lehren aus dem Fall Flaach?

Nach den fatalen Ereignissen im Fall Flaach denkt die Zürcher Justizdirektorin an eine engere psychiatrische Betreuung von Untersuchungshäftlingen. Bei der zuständigen Kinderschutzbehörde orten Gutachter Defizite in der Kommunikation, verneinen aber kausale Fehlleistungen. Wie passt das zusammen?

Flaach.
Legende: Flaach: Eine 27-Jährige erstickte am Neujahrstag 2015 ihr beiden Kinder, weil sie ins Heim zurück sollten. Keystone/Archiv

Bei den Erkenntnissen rund um die Kindstötung von Flaach und den späteren Selbstmord der Mutter spielen die psychiatrische Einschätzung und Betreuung der Täterin eine zentrale Rolle. Ein «ursächlicher Zusammenhang» zwischen dem Handeln der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) und dem Tötungsdelikt wird zwar verneint.

Doch stellen die Gutachter Schwächen unter anderem beim Einbezug des familiären Umfelds, beim rechtlichen Gehör und bei der Kommunikation der Behörden fest. Fragen an den SRF-Zürich-Korrespondenten Curdin Vincenz.

SRF News: Die Gutachten verneinen einen Zusammenhang zwischen der Arbeit der Kesb und der Kindstötung. Warum macht der Kanton Zürich jetzt trotzdem neue Vorgaben?

Curdin Vinzenz: Es gibt eben keinen direkten Kausalzusammenhang, also keine spezielle Fehlleistung der Behörde, die man direkt mit der Tat der Mutter verknüpfen könnte. Eine gesunde Frau ohne die im Nachhinein festgestellte Persönlichkeitsstörung hätte wegen der Verfahrensfehler ihre Kinder wohl nicht umgebracht. Aus der Distanz betrachtet hat die Kesb allerdings gewisse Dinge getan, die zumindest diskutabel oder gar falsch waren. Die Kommunikation ist ein zentraler Punkt.

Was lief bei der Kommunikation schief?

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Mängel bei der Kommunikation stellen die Gutachter unter anderem im Zusammenhang mit dem Entscheid fest, wonach die Kinder nach den Festtagen bei der Mutter wieder ins Heim zurückkehren müssen. Hier gab es eine telefonische Benachrichtigung, die dann später revidiert wurde. Zugleich wurde ein anderer Entscheid nur schriftlich kommuniziert. Ein direktes Gespräch hätte möglicherweise das Verständnis der Mutter für die Massnahme verbessert.

Es wurde viel darüber diskutiert, ob die Kesb nicht rund um die Uhr erreichbar sein müsste. Doch über die Festtage gab es keinen Pikettdienst. Was sagen da die Gutachten?

Hier sagen sie ganz deutlich, dass ein Pikettdienst nichts am Grundproblem geändert hätte, dass die Mutter die Rückführung der Kinder ins Heim ablehnte. Sie verstand den Entscheid nicht oder konnte ihn nicht verstehen. Ein Pikettdienst wird deshalb auch nicht empfohlen. Unabhängig davon haben die 13 Zürcher Kesb-Behörden aber ihre Erreichbarkeit bereits verbessert.

Die Mutter brachte sich acht Monate nach der Kindstötung in der Untersuchungshaft um. Kritik an den Haftbedingungen wurde laut. Was sagen die Gutachten dazu?

Hier wird Verbesserungsbedarf festgestellt. Die Rede ist von engen Verhältnissen und zu wenig Kommunikations- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Bedingungen sind allerdings in der Untersuchungshaft und bei laufenden Verfahren zum Teil gewollt so angelegt.

Trotzdem soll es jetzt Verbesserungen geben. Regierungsrätin Jacqueline Fehr hat in direktem Zusammenhang mit dem Fall Flaach die Idee für eine neue Institution entwickelt. Die Justizdirektorin schlägt dabei ein Mittelding zwischen psychiatrischer Klinik und Untersuchungshaft vor. So wäre eine engmaschigere psychiatrische Betreuung möglich, als in einem normalen Untersuchungsgefängnis. Dazu braucht es aber einen politischen Entscheid und auch das Geld.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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