Wird die Schweiz von der EU und den USA dazu gezwungen, die Sanktionen gegen Iran mitzutragen? So jedenfalls äusserte sich der Aargauer SVP-Nationalrat auf einer privaten SVP-Parlamentarierreise nach Teheran. SRF hat den Politiker auf der Rückreise erreicht und nachgefragt.
SRF: Sie haben in verschiedenen Interviews gesagt, man finde überall in Iran Coca-Cola – als Beweis, dass die Sanktionen unterlaufen werden. Coca-Cola ist aber gar nicht auf der Sanktionenliste.
Luzi Stamm: Das weiss ich schon. Aber das Problem liegt darin, dass Schweizer Firmen nicht exportieren dürfen, weil sie schwere Massnahmen der Amerikaner befürchten müssen. Die Amerikaner hingegen machen, was sie wollen.
SRF: Woher wissen Sie, dass die EU und die Amerikaner die Sanktionen unterlaufen? Wie können Sie das in einem mehrtägigen Besuch herausfinden?
Ich weiss nicht, in welchen Punkten und wie direkt sie unterlaufen. Coca-Cola ist trotz allem ein schönes Beispiel. Wer liefert und welche Zweigstelle der Amerikaner zuständig ist, weiss ich nicht. Aber mir erzählen die Leute in Iran, darunter auch schweizerisch-iranische Doppelbürger, es sei ganz erstaunlich, was man alles von den Amerikanern erhalte.
SRF: Aber Coca-Cola wird doch in Lizenz in Iran hergestellt?
Selbstverständlich. Aber ich kann Ihnen sagen, wo das Problem liegt: Wenn eine schweizerische Firma irgendwo exportiert, muss sie befürchten, dass die Zweigstelle in den USA abgeklemmt wird. Schweizerische Banken etwa mussten riesige Bussen bezahlen für irgendwelche Vorwürfe ohne irgendwelche Gerichtsverfahren. Das geht nicht, wie die Amerikaner uns behandeln und unter Druck setzen. Das ist nicht akzeptabel.
SRF: Also geht es Ihnen eher um eine Aktion gegen die USA und die EU als um Iran?
Ich wehre mich gegen die Doppelbödigkeit der Grossmächte. Ich verstehe nicht, wenn Iran Air von Genf aus nicht mehr fliegt oder faktisch nicht mehr fliegen kann, während es ab Frankfurt keine Probleme gibt. Das ist einfach lächerlich, wie da umgangen wird.
SRF: Aber die Schweiz hat doch noch andere Werte neben dem Handel mit der ganzen Welt, ethische und moralische Werte?
Jawohl, und diese moralischen Werte heissen Neutralität. Solange die UNO nicht Boykotte ausspricht, behandeln wir jeden gleich und sollten uns weder von der EU noch von den USA unter Druck setzen lassen, irgendwo mitzumachen.
SRF: Aber ist nicht die Neutralität, die sie meinen, nach dem Zweiten Weltkrieg beerdigt worden und ersetzt durch eine differenzielle Neutralität?
Die Neutralität, von der ich rede, ist für einen Kleinstaat wie die Schweiz von absolut zentraler Bedeutung. Ohne das kann sie nicht leben. Die Schweiz darf sich nicht einspannen lassen. Aber genau das spielt sich jetzt ab, sei es in der Ukraine oder in Iran.
SRF: Aber man könnte ja auch den Verdacht haben, dass Sie sich von Iran einspannen lassen, aus wirtschaftlichen Interessen?
Ich lasse mich todsicher von Iran nicht einspannen. Sobald die Schweiz irgendwo etwas verkauft, wird dies als neutralitätsverletzend bezeichnet, selbst bei einem medizinischen Gerät. Die Schweiz soll verkaufen und Handel treiben dürfen, bis die UNO es verbietet.
SRF: Spielt es keine Rolle, wenn ein Handelspartner der Schweiz rechtsstaatliche Prinzipien missachtet?
Wenn Sie von rechtsstaatlichen Prinzipien sprechen, dann schauen Sie das Verhalten der Amerikaner in den letzten Jahren gegenüber der Schweiz an. Ohne jegliche rechtliche Grundlage haben sie Schweizer Firmen unter Druck gesetzt.
SRF: Wir reden aber von der Schweiz und nicht von den USA. Soll die Schweiz mit jedem Land Handel treiben, dass rechtsstaatliche Prinzipien verletzt? Für uns ist doch wichtig, dass die internationale Gemeinschaft das Recht beachtet?
Geben Sie mir die Staaten an, die die rechtsstaatlichen Prinzipien nicht verletzen. Wenn wir das als Massstab nehmen, können wir mit gar niemandem mehr Handel treiben. Also weiterhin in Kontakt bleiben auch mit wirtschaftlichen Austausch, bis die UNO Sanktionen ergreift! Erst dann müssen wir uns als UNO-Mitglied anschliessen.
Das Interview führte Peter Voegeli.