Schweizer Landesausstellungen
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Bild 1 von 6. Zürich, 1883. Die erste Landesausstellung der Schweiz wurde am 1. Mai im Grossen Tonhallensaal eröffnet. Als besondere Attraktion blieb den rund 1,7 Millionen Besuchern die Präsentation der «Topografischen Karte der Schweiz» (Dufourkarte) in Erinnerung. Sie stellte im Massstab 1:100'000 das erste geometrisch korrekte Bild der Schweiz dar. Bildquelle: Wikipedia/Urheber unbekannt.
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Bild 2 von 6. Genf, 1896. Die Armee präsentierte sich in einem eigenen Pavillon. Der erste Schweizerische Kongress für die Interessen der Frau zielte darauf ab, die Öffentlichkeit über das ausserhäusliche Wirken der Frauen zu informieren – die Frauenbewegung wurde von da an als ernstzunehmende politische Kraft im Land wahrgenommen. Im Bild: Palast der Schönen Künste. Bildquelle: ETH-Bildarchiv/Foto: August Waldner.
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Bild 3 von 6. Bern, 1914. Mitten in der Ausstellung begann der 1. Weltkrieg. Die Schweiz demonstrierte mit dem Armeepavillon (im Bild) den Willen zur bewaffneten Neutralität. Im Vorfeld drohte die Industrie mit einem Boykott, weil sie mit der Revision des Fabrikgesetzes nicht einverstanden war. Eine grosse Attraktion für die Besucher war das «Dörfli» im Länggassquartier. Bildquelle: ETH-Bildarchiv.
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Bild 4 von 6. Zürich, 1939, «Landi». Erneut gab es während der Ausstellung Krieg. Attraktionen waren das «Landidörfli», der «Schifflibach» und die Pendelbahn über dem See. Die moderne Schweiz zeigte sich im Pavillon der Aluminiumindustrie, den ersten Fernsehvorführungen des ETH-Professors Franz Tank und aufregendem Produktdesign («Landi-Stuhl» von Hans Coray). Bildquelle: ETH-Bildarchiv/Fotograf: Photoglob AG (Zürich).
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Bild 5 von 6. Lausanne, 1964. Moderne Technik faszinierte die Besucher: Eine Fahrt im Unterseeboot Mesoscaphe von Auguste Piccard oder eine Herzoperation, die auf eine Grossleinwand übertragen wurde. Futuristisch war auch die Monorail-Hochbahn. Das Militär demonstrierte den Wehrwillen in Zeiten des Kalten Kriegs mit einem Pavillon in Form eines Igels. Bildquelle: ETH-Bildarchiv.
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Bild 6 von 6. Biel, Neuchâtel, Yverdon und Murten, 2002. Die Expo.02 verteilte sich auf vier Standorte an drei Seen. Auf sogenannten «Arteplages» (franz. für Kunst und Strand) präsentierten Künstler ihre Exponate. Der Rostwürfel «Monolith» im Murtensee und die «begehbare Wolke» auf einer 100 Meter langen Eisenkonstruktion bleiben in besonderer Erinnerung. Bildquelle: Keystone.
SRF News: Welcher Teil der letzten Landesausstellung im Jahr 2002 ist Ihnen in Erinnerung geblieben im Zusammenhang mit der Schweizer Identität?
Thomas Held: Was mir eher in Erinnerung geblieben ist, sind skulpturale Teile der Ausstellung, beispielsweise die begehbare Wolke oder der Pavillon von Jean Nouvel auf dem Murtensee.
Was bedeuten solche Ausstellungen für die Schweizer Identität?
Solche Ausstellungen haben für die Regionen eine grosse Bedeutung – also für die regionale Identität. Bei einer Landesausstellung oder anderen grossen Projekten geht es immer auch um eine Geldverteilung des Bundes. Das ist eine austarierte und komplizierte Angelegenheit, bei der keine der involvierten Regionen zu kurz kommen darf.
Eine Landesausstellung ist vergleichbar mit der ganzen Innovationspark-Diskussion. Dies war ursprünglich eine Idee zur Umnutzung des Flughafens Dübendorf. Mittlerweile gibt es mehrere Innovationsparks über die ganze Schweiz verteilt. Die Ostschweiz ist übrigens bis jetzt noch nicht berücksichtigt worden. Erst gestern hat Bundesrat Johann Schneider-Ammann im Ständerat gesagt, dass man auf eine Projekteingabe der Ostschweiz warte. Denn sonst sei die Geldverteilung nicht ausgewogen. Bei einer Landesausstellung ist dies ein wesentlicher Aspekt.
Die «Landi 39» war immer wieder ein identitätsstiftender Bezugspunkt
Sie meinen den regionalen Aspekt?
Ja, der regionale Aspekt im Zusammenhang mit der Vergabe von Bundesmitteln. Das ist vergleichbar mit einer Olympiade oder einer Europameisterschaft. Denn damit verbunden ist der Auf- oder Ausbau einer Infrastruktur, so dass die Region davon profitiert. Bei der letzten Landesausstellung wurde dies mit dem Bau der neuen Hochgeschwindigkeits-Bahnlinie am Bieler- und Neuenburgersee ersichtlich. Dieser praktische Aspekt ist immer eine Motivation der Kantone, sich an einem solchen Anlass zu beteiligen.
Wie sieht es bei weiter zurückliegenden Landesausstellungen mit der Schaffung von Identität aus?
Die Landesausstellung 1939 kannte ich in meiner Kindheit nur aus den Erzählungen der Eltern. Trotzdem: Die «Landi 39» war immer wieder ein identitätsstiftender Bezugspunkt.
Die «Expo 64» in Lausanne erlebte ich als Gymnasiast. Auch diese Landesschau hatte einen sehr starken Einfluss auf mich, aber nicht im Sinne von identitätsstiftend sondern eher politisierend. So wurden bei dieser Ausstellung mit dem Film «siamo italiani» von Alexander J. Seiler unter anderem erstmals Immigrationsfragen thematisiert.
Die letzte Expo war eher interessant auf Grund des Entstehungsprozesses. Denn es zeigte sich, wie schwierig es ist, so eine Ausstellung zu realisieren. Hier stand der Identität stiftende Aspekt nicht mehr so im Mittelpunkt.
Es hat also eine Veränderung stattgefunden?
Die ersten Landesausstellungen hatten klar einen identitätsstiftenden Charakter. Bei den neueren hat eine Veränderung stattgefunden. Planerische, architektonische, künstlerische und städtebauliche Fragen traten mehr in den Vordergrund. Das habe ich bei meiner Arbeit bei der «Expo 02» gesehen. Und dies ist auch bei der Jury des Konzeptwettbewerbs für die «Expo 2027» wieder der Fall. Sie setzt sich einerseits aus Städtebauern, Planern und andererseits aus Regierungs- und Nationalräten zusammen. Man kann sich also vorstellen, wie dies in diesem Jury-Prozess abläuft.
Sind solche Ausstellungen im Zeitalter von Internet, Facebook & Co. überhaupt noch zeitgemäss?
Es hat keinen Sinn, Bildschirme aufzustellen und die Besucher zu zwingen, Dinge anzuschauen, die sie auch zu Hause oder auf dem Smartphone betrachten können. Daher muss sich eine Landessausstellung vom Showcharakter distanzieren, also nicht einfach irgendeine verrückte Maschine präsentieren, wie dies früher der Fall war. Heute muss es einerseits in Richtung Veranstaltung und andererseits in Richtung Kunst gehen. Die digitale Welt ist im Vorfeld bei der Vermarktung und der Kommunikation wichtig – danach nicht mehr.
Der schweizerische Aspekt liegt in der gerechten, sinnfälligen Verteilung von Ressourcen
Aber sind sie noch zeitgemäss?
Das Wort zeitgemäss würde ich in diesem Zusammenhang nicht verwenden. Eine solche Ausstellung kann nach wie vor eine gewisse Wirkung erzeugen insbesondere für die Region. Eine Landessausstellung ist eine zeitlose schweizerische Form. Der schweizerische Aspekt liegt in der gerechten, sinnfälligen Verteilung von Ressourcen. Alle haben etwas davon. Die Ausstellung findet nicht nur an einem Ort statt, sondern es gibt verschiedene Schauplätze.
Das Gespräch führte Richard Müller.