Das Bundesgericht beurteilte den Fall eines Mannes, der Anfang der 70er-Jahre als Teenager in den Schulferien bei der Eternit AG in Niederurnen gearbeitet hatte. Bei Schleifarbeiten war er damals auch Asbest-Staub ausgesetzt. Lange Zeit später, als er 46 Jahre alt war, erkrankte er an Brustfellkrebs und verstarb kurz darauf.
Seine Hinterbliebenen kämpften für eine Entschädigung sowie eine Genugtuung – zunächst erfolglos. Denn das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus befand, der Tod des Mannes sei weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen. Das Bundesgericht sieht das aber anders.
Gefahren waren bereits bekannt
Die damaligen Verantwortlichen hätten einen Jugendlichen von allen gefährlichen Arbeiten fernhalten müssen. Das verlange das Arbeitsgesetz, argumentieren die Richter in Lausanne im aktuellen Urteil. Das Bundesgericht hält auch fest, dass es schon damals wissenschaftliche Studien gab, die belegten, wie gefährlich Asbest sei.
Gestützt darauf habe man in den Jahren 1972 und 1973 gewusst, dass bei Arbeiten mit Asbest ein Krebsrisiko besteht. Die Hinterbliebenen hätten deshalb auf Basis des Opferhilfe-Gesetzes Anspruch auf eine Entschädigung, heisst es in dem Urteil.
Positiv reagiert Rechtsanwalt Kaspar Saner. Seine Kanzlei vertritt immer wieder Asbest-Opfer vor Gericht. «Das ist ein Entscheid von einiger Tragweite. Das Bundesgericht hat nun zum ersten Mal inhaltlich dazu Stellung genommen, welche Gefahrenkenntnisse im Zusammenhang mit Asbest in den 60er- und 70er-Jahren bei der Asbest-Industrie geherrscht haben.»
Lausanner Urteil mit Signalwirkung
Zwar lässt es das Bundesgericht offen, wie es entschieden hätte, wenn es nicht um einen Jugendlichen, sondern um einen erwachsenen Angestellten gegangen wäre. Doch bedeutet das Urteil einen Hoffnungsschimmer für andere Asbest-Opfer und deren Hinterbliebene, die zum Teil schon jahrelang um Entschädigungen kämpfen.
Bisher wurde von Seiten der Industrie immer wieder das Argument, man habe damals nicht gewusst, wie gefährlich Asbest sei, ins Feld geführt. Dem hat das Bundesgericht nun klar widersprochen.
Von der Eternit AG und den Glarner Behörden gab es noch keine Stellungnahme zu dem Urteil.