Jedes Jahr streichen die Versicherer rund 600 Millionen Franken Gewinn ein mit der zweiten Säule. Das Geld nehmen sie dafür, dass sie den vielen kleinen und mittleren Betrieben, die keine eigene Pensionskasse haben, die Vorsorge-Risiken abnehmen.
Die Versicherungen würden jedes Jahr hunderte Millionen Franken Gewinn machen – notabene in einer Sozialversicherung – sagt Martin Flügel, Präsident des Dachverbands Travail Suisse. «Dieses Geld fehlt für die Finanzierung der Renten, und das geht natürlich nicht.»
Korrekturen gefordert
Der Verband fordert Korrekturen. Solche werden zum Teil schon seit Jahren diskutiert, doch nun gewinnen sie deutlich an Brisanz. Denn in wenigen Wochen wird der Bundesrat eine umfassende Revisionsvorlage präsentieren: «Altersvorsorge 2020» heisst das von Bundesrat Alain Berset angekündigte Projekt. Damit steht auch bei der zweiten Säule, den Pensionskassen, eine Grundsatzdebatte an.
In zwei Punkten sind die Gewerkschaften unzufrieden mit der heutigen Regelung: Die Prämien für Invalidität seien massiv zu hoch angesetzt. Ausserdem müsse festgeschrieben werden, dass die Versicherer 95 Prozent ihrer Gewinne an die Versicherten weitergeben müssten. Die Versicherten sollen künftig also weniger Prämien bezahlen und die Lebensversicherer sollen ihnen von ihren Gewinnen mehr zurückgeben.
Versicherer wehren sich für ihr Geschäft
Das sorgt für Zündstoff. Denn die Versicherer wehren sich mit Händen und Füssen gegen Einschnitte in ihr Geschäftsmodell. Sie argumentieren, es brauche – neben den autonomen Pensionskassen für grössere Betriebe – auch die sogenannte Vollversicherungslösung der Versicherer für die kleineren Betriebe. «Wir bieten ihnen die volle Sicherheit – dafür brauchen wir die Gewinne, um diese Sicherheit leisten zu können», sagt Luzius Dürr, Direktor des Schweizerischen Versicherungsverbandes.
Tatsächlich spielen die Privatversicherer in der zweiten Säule eine wichtige Rolle. Bei ihnen ist rund ein Fünftel aller Vermögen der beruflichen Vorsorge untergebracht. Und heute bekommt immerhin jeder vierte Rentner seine BVG-Rente von den acht Schweizer Lebensversicherern, darunter Swiss Life, Axa Winterthur, Helvetia oder Allianz.
Den Gewerkschaften geht es aber um mehr als nur einen höheren Anteil am Gewinn für die Versicherten. Martin Flügel von Travail Suisse findet, in der beruflichen Vorsorge seien die privaten Versicherer verzichtbar. Er könne sich gut eine zweite Säule ohne die privaten Versicherer vorstellen. «Denn dann bleibt wirklich alles Geld in der Altersvorsorge.»