In der Schweiz werden mehr Frauen und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelung als bisher angenommen. Eine neue Studie der Unicef schätzt die Zahl gefährdeter oder betroffener Frauen auf rund 10'700. Bisher ging man von rund 6700 Betroffenen aus.
Nach 2001 und 2004 analysierte Unicef zum dritten Mal das Ausmass und die Problematik, die sich in der Schweiz in Zusammenhang mit der weiblichen Genitalverstümmelung stellen.
Die aktuelle Studie basiere einerseits auf Schätzungen und Daten des Bundesamtes für Statistik, andererseits auf einer Online-Befragung unter Fachpersonen, heisst es in einer Mitteilung des Kinderhilfswerks.
Komplikationen wegen Vernähungen
Gemäss der Studie stammen die von Genitalverstümmelung betroffenen Frauen und Mädchen mehrheitlich aus Somalia, Eritrea und Äthiopien. Im Vergleich zu 2004 ist der Anteil der Risikogruppe aus Eritrea gestiegen, derjenige aus Somalia und Äthiopien leicht gesunken. Neu hinzugekommen sind in der Umfrage Sudan und Ägypten.
Ein Drittel der von Unicef befragten Personen hatte bereits Kontakt zu beschnittenen Frauen oder Mädchen. Zwei Prozent der medizinischen Fachpersonen waren schon einmal mit akuten Problemen einer frisch durchgeführten Infibulation (Vernähung der weiblichen Geschlechtsteile) konfrontiert und ein Drittel der Gynäkologinnen wurde schon einmal gebeten, eine Defibulation durchzuführen (Aufschneiden der Vernähung).
Genitalverstümmelung ist strafbar
Die weltweiten Erfahrungen von Unicef zeigten, dass Prävention und Repression sich ergänzen müssten, wenn man die schädliche Praxis überwinden wolle, wird Elisabeth Müller, Geschäftsleiterin von Unicef Schweiz, in der Mitteilung zitiert. Unicef geht davon aus, dass weltweit 130 Millionen Frauen und Mädchen mit verstümmelten Genitalien leben.
Seit dem 1. Juli verbietet das Schweizerische Strafgesetzbuch jegliche Form der Genitalverstümmelung. Damit können Personen strafrechtlich verfolgt werden, die ein in der Schweiz wohnhaftes Mädchen beschneiden lassen, auch wenn dies im Ausland geschieht. Nachdem sich die Schweiz für ein explizites Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung ausgesprochen habe, gelte es jetzt, gezielte Präventionsmassnahmen zu ergreifen, um die bedrohten Mädchen zu schützen.
So fordert Unicef etwa, dass betroffene Fachpersonen umfassend informiert und unterstützt werden, sowohl im Bereich der Gesprächsführung bei sensiblen Themen, als auch zu psychologischen und sozialen Fragestellungen. Zudem müsse die Aufklärung über das Melderecht und die Meldepflicht intensiviert werden.