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Schweiz Urner Justizaffäre: Neue Aussagen setzen Behörden unter Druck

Der vermeintliche Auftragsschütze im Fall des Erstfelder Cabaret-Betreibers Ignaz Walker hat erstmals umfassend über die Rollen der Beteiligten gesprochen. Gleichzeitig hat die Urner Justiz einen ausserordentlichen Staatsanwalt ernannt, wie die «Rundschau» berichtet.

Der zu 8 ½ Jahren Gefängnis verurteilte Sasa Sindelic hat sich aus der Haftanstalt Thorberg bei der «Rundschau» gemeldet. In einem ausführlichen Interview schildert er, wie sich im November 2010 die Schussabgabe auf die damalige Frau von Walker abgespielt haben soll. «Ignaz Walker hat damit nichts zu tun», sagt Sindelic. Walker sitze unschuldig in Haft. Er gibt zu, Teil eines vorgetäuschten Mordkomplotts gewesen zu sein.

Weitere Person involviert

Sindelic bekräftigt, dass er zusammen mit Walkers damaliger Ehefrau und deren Freund beteiligt gewesen sei. Als Tatwaffe habe er eine ausgebohrte Pistole zur Verfügung gestellt, so Sindelic. Neu ist, dass er angibt, eine weitere Person motiviert zu haben, sich an dem Komplott zu beteiligen.

«Der hätte einfach ein paar Schüsse abgeben sollen. Auf die Handtasche, rund herum und fertig», so die Darstellung des verurteilten Straftäters Sindelic. Doch es sei anders gekommen: «Der Lauf ist schräg gewesen.» So habe der Schütze statt der Handtasche den Rücken von Walkers Frau getroffen.

Wir haben dies gemeinsam geplant, um Walker hinter Gitter zu bringen. Dies war alles inszeniert.
Autor: Sasa Sindelic

In den Originalaufnahmen des Polizeinotrufs, die der «Rundschau» vorliegen, ist zu hören, wie Walkers ukrainische Ex-Frau sagt: «Jemand in mich geschossen.» Schon aus dem ersten Einvernahmeprotokoll geht hervor, dass sie ihren Mann zum Verdächtigen macht. Jetzt gesteht Sindelic ein: «Wir haben dies gemeinsam geplant, um Walker hinter Gitter zu bringen. Dies war alles inszeniert.»

In den Notruf-Aufnahmen scheint Walkers Frau denn auch keine Angst vor weiteren Attacken des Täters zu haben. Der Freiburger Strafrechtsprofessor Christof Riedo, der Aktenkenntnis und die Notruf-Aufnahmen gehört hat, ortet ein eigenartiges Verhalten: «Ich spüre keine Angst vor irgendeiner latenten Bedrohungssituation.»

60'000 Franken für mutmassliches Mordkomplott

Im Interview mit der «Rundschau» nennt Sindelic den Namen des mutmasslichen Schützen, den das TV aus rechtlichen Gründen anonymisiert hat. Zum Hintergrund des vorgetäuschten Mordkomplotts erklärt Sindelic: «Der Deal ist gewesen, dass sie und ihr Freund nach dem Verkauf des Erbes 60'000 Franken geben würden.»

Weiter habe er dem Schützen versprochen, ihn zu decken, falls etwas schiefgehe. Laut Strafrechtsprofessor Riedo erkläre diese Konstellation auch, weshalb Sindelic nie ein Geständnis vor Gericht machte und das Urteil akzeptierte: «Das wirkt im Ganzen sehr viel logischer als frühere Versionen, die er präsentiert hat.» Für Riedo ist nun Handlungsbedarf im Kanton Uri angezeigt.

Ermittlungen wegen falscher Anschuldigung

In der Tat ermittelt nun auf Anordnung der Urner Regierung ein Luzerner Staatsanwalt wegen falscher Anschuldigung und Irreführung der Justiz. Im Visier stehen die damalige Frau des inhaftierten Cabaret-Betreibers und Personen aus ihrem Umfeld.

«In Bezug auf die Strafverfolgung kann an dieser Stelle immerhin festgehalten werden, dass auf Antrag der Staatsanwaltschaft Uri der Regierungsrat André Graf als ausserordentlichen Staatsanwalt für das Verfahren ernannt hat», schreibt die Urner Justizdirektorin Heidi Z’Graggen der «Rundschau». Walkers Ex-Frau und ihr Freund wollten sich dazu nicht äussern.

Walker wieder in Haft

Ignaz Walker selbst hat stets seine Unschuld beteuert. Er wurde wegen des angeblichen Auftragsmordes an seiner Frau zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach vier Jahren in Sicherheitshaft hatte das Bundesgericht entschieden, dass der Fall neu aufgerollt werden muss. Das Urner Obergericht verfügte daraufhin, dass der Cabaret-Betreiber unverzüglich zu entlassen sei.

Doch seit Mai befindet er sich wieder in Sicherheitshaft. Das Bundesgericht hatte eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Uri gutgeheissen. Zur Begründung hiess es, die Neubeurteilung schliesse nicht aus, dass der Betroffene zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werde. Es bestehe weiterhin Verdunkelungsgefahr.

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