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Schweiz Väter am Limit – zerrissen zwischen Kind und Karriere

Der moderne Mann ist ein engagierter Vater und gibt trotzdem Vollgas im Job. Trotz Vaterpflichten arbeiten nur elf Prozent aller Väter hierzulande Teilzeit. Der Rundschau-Bericht zeigt: Die Doppelbelastung bringt viele Väter an den Anschlag.

«Der Vater im Büro, die Mutter daheim – so wie es früher war, will ich es nicht. Ich möchte, dass mein Sohn schöne Erinnerungen an mich hat», sagt Gianfranco Sabatino. Der 29-jährige Bündner verbringt jeden Donnerstag daheim mit Sohn Noah. Trotzdem arbeitet der Bautechniker 100 Prozent: Er packt seine 42-Stunden-Woche einfach in vier Tage. Diesen Spagat zwischen Vollzeit-Job und Engagement als Vater machen viele Männer.

VAter und Kind
Legende: Väter wollen nicht auf ihre Karriere verzichten – und trotzdem Zeit mit ihren Kindern verbringen. SRF

Väter leisten immer mehr Haushalts- und Betreuungsarbeit, das zeigen die jüngsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik. Zugleich reduzieren sie nicht im Job: Nur 11 Prozent der Väter arbeiten Teilzeit, und nur ein Drittel von diesen gibt die Kinderbetreuung als Grund dafür an.

Die Männer bemühen sich zwar, engagierte Väter zu sein – machen im Job aber keine Abstriche. Diese Doppelbelastung bringt viele Väter an den Rand ihrer Kräfte, wie eine Recherche der «Rundschau» zeigt.

Kein Verzicht auf Karriere

Auch Markus Theunert ist einer von ihnen. Der Vordenker der Schweizer Männerbewegung kämpft zwar für einen Rollenwandel, zerreisst sich selber aber zwischen 50-Stunden-Woche und Vaterpflichten.

«Auch ich möchte mich als Mann fühlen, der etwas schafft, eine Spur hinterlässt, etwas erreicht. Darauf will ich nicht verzichten »nur« weil ich Vater bin.» Denn Befriedigung zögen die Männer noch immer primär aus dem Job – und nicht aus der Kinderbetreuung, sagt Männerlobbyist Theunert.

Rollenwandel? Fehlanzeige, sagt die Buchautorin Sibylle Stillhart. Die Kinder seien nach wie vor Frauensache. «Die Männer wollen zwar schon teilhaben, aber wenn der Chef anruft, entscheiden sie sich für‘s Büro», sagt die Autorin von «Müde Mütter, fitte Väter». Stillhart plädiert für mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Heute wagten Männer es kaum zuzugeben, wenn sie lieber Karriere machen würden, als sich um die Kinder zu kümmern.

Väter bleiben Ernährer

Wie zementiert die Geschlechterrollen sind, zeigt sich auch bei der Haushaltskasse: Bei Paaren mit Kindern stammen laut Bundesamt für Statistik rund 75 Prozent des Erwerbseinkommens vom Mann. Die Väter sind aller Emanzipation zum Trotz die Ernährer geblieben. Das hat oft mit finanziellen Zwängen zu tun: Viele Paare entscheiden sich für eine traditionelle Rollenverteilung weil der Mann meist mehr verdient.

Aber den Männern kommen auch alte Denkmuster in die Quere: «Wenn ich 100 Prozent arbeite, bin ich ein 100-Prozent-Mann, wenn ich 50 Prozent arbeite, bin ich eine halbe Portion. Das ist ein Jahrhunderte-altes Erbe – das lässt sich nicht in einer Generation über den Haufen werfen», sagt Markus Theunert. Er sieht die heutigen Väter als Übergangsgeneration: «Wir werden die Widersprüche nicht auflösen können.»

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