Die beiden Abstimmungs – niederlagen:
SRF: Hat die Initiative als Wahlkampfvehikel ausgedient?
Georg Lutz: Ich denke schon. Früher, als nur wenige Parteien eine Initiative durchgesetzt haben, klappte dies gut. Mit ihren Anliegen konnten sie so die politische Agenda bestimmen. Heute allerdings sind alle Parteien auf diesen Zug aufgesprungen. Und man spürt: Das kommt nicht mehr so gut an.
Früher hat eigentlich nur die SVP Volksinitiativen erfolgreich durchgesetzt. Hängt der Erfolg vielleicht auch von den finanziellen Mitteln ab, die eine Partei zur Verfügung hat?
Das ist sicher ein Faktor, aber nicht der bestimmende. Die Niederlagen bei den Abstimmungen haben auch damit zu tun, dass die Parteien sehr berechnend ihre Anliegen vor einer Wahl platzieren. Eine Initiative hat dann Erfolg, wenn das Thema den Menschen unter den Nägeln brennt.
Haben Martin Bäumle (GLP) und Christophe Darbellay (CVP) also völlig falsch gerechnet?
Die beiden Parteipräsidenten haben sicher nicht mit so einer klaren Abfuhr gerechnet, auch wenn die Niederlage bereits früh absehbar war. Eine dermassen deutliche Niederlage schadet wahrscheinlich auch dem Wahlkampf.
Werden die kleineren Parteien daraus eine Lehre ziehen und sich vor Initiativen im Wahljahr hüten?
Grundsätzlich lässt sich so etwas nicht bestimmen. Es ist natürlich immer noch so, dass man bei der Lancierung einer Initiative den Wählern die Botschaft übermittelt, für welche Werte die Partei einsteht. Die Kandidaten können auch auf der Strasse auf die Wähler zugehen und ihnen deutlich machen, wofür sie kämpfen. Dann brauchen sie auch nicht relativ abstrakte Wahlparolen zu verkünden. Bei kleineren Parteien kommt allerdings erschwerend hinzu, dass eine solche Unterschriftensammlung viele Ressourcen einfordert.
Sehen Sie hier einen Wendepunkt bei den Parteien, dass man wieder auf andere Mittel setzt?
Davon gehen ich aus. Die Mitteparteien werden das Thema Initiative sicher vorsichtiger behandeln als früher. Die Parteien links und rechts werden aber auch in Zukunft dieses Instrument benutzen, da sie mit populistischen Forderungen auftreten können.