Vor 335 Jahren haben die Bewohner der beiden Walliser Dörfer Fiesch und Fieschertal das Gelübde abgelegt, gegen das Wachstum des Aletschgletschers zu beten. Dieser hat sich seither um über dreieinhalb Kilometer zurückgezogen.
Der Präfekt des Bezirks Goms, Herbert Volken, sah sich deshalb gezwungen, zu handeln: Er wurde 2009 beim damaligen Papst Benedikt XVI. in Rom vorstellig. Er bat darum, das Gelübde im Kampf gegen den Klimawandel umkehren zu dürfen.
Der Wunsch wurde gewährt. Somit war es heute wieder einmal so weit: Die jährliche Prozession gegen das Abschmelzen des Gletschers fand statt. Eine Gruppe von Gläubigen wanderte frühmorgens zur Notre-Dame-Kapelle im Ernerwald bei Fiesch.
«Gebet kann unterstützend wirken»
Präfekt Volken ist von der Wirkung der Prozession überzeugt: «Ich behaupte nicht, dass das Gebet allein diese Probleme lösen kann. Aber es kann unterstützend wirken.» Mit der Meinung ist er nicht allein. Die Teilnehmerzahl nimmt jedes Jahr zu. «Das ist der Beweis, dass unsere Bevölkerung an das Beten und an Gott glaubt.»
Als PR-Aktion will Volken, ehemaliger Präsident von Wallis Tourismus, den Aufruf zum Gebet nicht verstanden wissen. Denn der Verlust des Aletschgletschers hätte schwerwiegende Folgen für die Region. «Eis ist Wasser. Wasser ist Leben. Und wenn wir kein Wasser haben, können wir in unseren Tälern nicht mehr leben und müssen auswandern.»
Ursprünglich Angst vor Überflutung
Wassermassen aus dem Märjelensee, einem typischen Gletscherrandsee, hatten einst wiederholt Zerstörung über die Walliser Gemeinde gebracht. 1678 legten die Katholiken von Fiesch deshalb ein Gelübde ab, den Naturgewalten ein Ende zu setzen. Seither wird jeweils am 31. Juli eine Prozession durchgeführt – wenn es kein Sonntag ist.
Die Fiescher blieben in der Folge tatsächlich vor grösseren Katastrophen verschont. Durch den Rückgang der Gletschermasse hat sich das Gelübde allerdings überholt. Heute gilt es, den Aletschgletscher als Trinkwasserreservoir – und auch als Walliser Touristenattraktion – zu erhalten.