In seinem Büro legt der Belper Gemeindepräsident Rudolf Neuenschwander eine 80-seitige Broschüre auf den Tisch. Es ist der «Auszug aus dem Steuerregister pro 1997/98» zum Preis von 25 Franken. «Lugibüechli» – Lügen-Büchlein – wurde es auch genannt, weil darin wohl nicht jeder Franken deklariert wurde.
Es stillte die Neugier so manchen Bürgers und lieferte Gesprächsstoff für manchen Stammtisch. Und ab und zu gab es einen begüterten Gewerbler, der mit Hinweis auf Finanz- und Steuerkraft auch gleich seine Forderungen an die Gemeinde bekräftigte.
Heute gibt die Gemeinde Belp die Broschüre nicht mehr heraus. Bloss auf Nachfrage würden einzelne Daten noch bekannt gegeben. Es fragten aber nicht mehr viele an, berichtet Neuenschwander.
Neid und persönliche Interessen im Vordergrund
Der Kanton Bern will nun die Einsicht in die Steuerdaten stark einschränken und nur noch dann Auskunft erteilen, wenn jemand ein wirtschaftliches Interesse hat: Ein Hauseigentümer etwa, der sich über die Solvenz einer Mieterin informieren will. Oder die Spitex, die einkommensabhängige Tarife verrechnet.
Der Stadtberner Steuerverwalter Moritz Jäggi begrüsst die geplante Neuregelung. Denn oft steckten rein persönlichen Interessen oder Neid dahinter – mit dem Ziel, Bürger blosszustellen oder sich als Politiker zu profilieren.
Zudem sei die Aussagekraft des Steuerauweises doch sehr beschränkt, betont Jäggi. Denn publiziert würden nur das steuerbare Einkommen, Vermögen und – falls vorhanden – der amtliche Wert der Liegenschaften. Auch gebe es heute vielfältige und legale Möglichkeiten zur Steueroptimierung und nicht zuletzt schwankten die Steuerfaktoren von Jahr zu Jahr stark.
Alte Tradition: Wer kann was geben?
Früher waren Steuerdaten in den meisten Kantonen öffentlich. Das hat sich laut dem St. Galler Ökonomie-Professor Gebhard Kirchgässner in den letzten zehn Jahren geändert. Die alte Schweizer Tradition führt er auf die Versammlungsdemokratie zurück, wo Angelegenheiten gemeinsam beschlossen und auch über deren Finanzierung diskutiert wurde. Daraus sei dann auch klar geworden, wer wie viel beitragen sollte. Ein Steuergeheimnis sei in diesem Zusammenhang fremd gewesen.
Heute aber wird laut Kirchgässner der Datenschutz oftmals höher gewichtet als die Steuertransparenz. Nur noch sieben Kantone, darunter Zürich, kennen das Öffentlichkeitsprinzip bei den Steuerdaten. Die anderen Kantone haben es abgeschafft oder stark eingeschränkt.
Recht auf Steuereinsicht retten?
Oftmals sei dies unter dem sanften Druck reicher ausländischer Zuzüger geschehen, die ihre Daten geheim halten wollten, erklärt die Präsidentin der nationalrätlichen Finanzkommission, Margret Kiener Nellen.
Die SP-Politikerin verteidigt das Recht auf Steuereinsicht: «Die Öffentlichkeit muss doch wissen dürfen, ob jemand sich in der Schweiz nur versteckt, ohne Steuern zu zahlen.» Mit einer parlamentarischen Initiative will sie nun erreichen, dass die Steuerregister in allen Kantonen wieder öffentlich einsehbar werden.