Am 1. Oktober sprach das Bundesstrafgericht in Bellinzona einen tunesisch-kanadischen Geschäftsmann wegen Bestechung und Geldwäscherei schuldig. Es verurteilte ihn zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Um Bauaufträge zu erhalten hatte der Kadermann der kanadischen Baufirma SNC Lavalin Geld an Saadi al-Gaddafi bezahlt, einen Sohn des getöteten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi. Der Geschäftsmann wurde in der Schweiz angeklagt, weil er Konten in Genf für die Veruntreuung der Gelder nutzte, die er aus und nach Libyen transferierte.
Neuer Begriff: «faktischer Amtsträger»
In der am Montag veröffentlichten Urteilsbegründung bezeichnet das Bundesstrafgericht Saadi al-Gaddafi als «faktischen Amtsträger». Damit meint es eine Person, die innerhalb eines Staatswesens Entscheide fällt, ohne aber eine öffentliche Funktion auszuüben.
Um internationale Korruption wirksam zu bekämpfen, sei dieses Urteil zentral, schreibt nun die Bundesanwaltschaft BA. Erstmals habe ein Gericht nämlich im Zusammenhang mit einem diktatorischen Regime festgehalten, dass Korruption sich auch an einen «faktischen Amtsträger» richten könne.
Diese Konstellation sei typisch in Staaten, in denen die öffentliche Verwaltung lediglich Fassade sei und sich darauf beschränke, Entscheide der Herrscherfamilie und ihr nahestehenden Personen auszuführen. Bis anhin sei nicht klar gewesen, wie das Schweizer Strafrecht Zahlungen an solche Personen erfassen könne, so die BA.
Schweizer Export-Unternehmen müssen künftig aufpassen
«Das ist tatsächlich eine ganz entscheidende Neuerung», sagt der Basler Strafrechtler Mark Pieth. Bisher seien nur die beiden Begriffe des institutionellen und des funktionalen Amtsträgers verwendet worden. Das Bundesstrafgericht sei jetzt einen Schritt weitergegangen und erhebe auch Personen mit lediglich informellen Aufgaben in einem Staatsgefüge zu einem Amtsträger, eben zum «faktischen Amtsträger».
«Das ist wichtig im Zusammenhang mit der Bestechung fremder Amtsträger», so Pieth weiter. Es werde immer wieder Fälle geben, in denen ein Schweizer Unternehmen in einem anderen Land in Bestechungsfälle verwickelt sei, etwa in «Staaten, die schlecht organisiert sind». Deshalb: «Überall dort könnte diese Struktur zur Anwendung kommen.» Besonders in Acht nehmen müssten sich Schweizer Unternehmen und Manager in der Exportbranche, sagt der Strafrechtler.
Das Urteil des Bundesstrafgerichts müsse im Zusammenhang der Schweizer Bemühungen gesehen werden, von dem «Schwarzgeld-Thema» wegzukommen, betont Pieth. Vor allem die Bundesanwaltschaft gebe sich grosse Mühe dabei und werde nun auch vom Bundesstrafgericht unterstützt, wie das Urteil aus Bellinzona zeige.