Früher war die Stromwelt einfach: Elektrizitätswerke produzierten Strom. Die Kunden zu Hause kauften den Strom und zahlten mit einem ziemlich hohen Aufschlag auf die Rechnung gleichzeitig auch den Bau und den Unterhalt der Stromleitungen.
Heute ist es komplizierter: Immer mehr Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer produzieren Strom auf dem eigenen Dach. Wenn sie einen Teil dieses Stroms selber verbrauchen, zahlen sie aber auch weniger an die allgemeinen Kosten für den Unterhalt des Stromnetzes.
Beitrag ans Stromnetz
Das ist ein Problem, sagt Thomas Zwald vom Verband der grossen Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen VSE. Denn Solaranlage-Besitzer würden profitieren: «Ein Teil der Kosten, die sie nicht bezahlen, müssen von anderen bezahlt werden, die keine Solaranlage besitzen.»
Unsolidarisch sei das, sagt der VSE und empfiehlt seinen Mitgliedern, die Preise für Solaranlagenbesitzer neu zu gestalten. Einige Elektrizitätsunternehmen haben das bereits getan, zum Beispiel die Wasserwerke Zug. Die neuen monatlichen Fixpreise für einige Solaranlagenbesitzer sind jetzt aber so hoch, dass deren Stromrechnung höher ist, als wenn sie gar keinen Strom produzieren würden.
Solar-Besitzer werden vergrault
Promotoren der erneuerbaren Energien sind entsetzt: Der ehemalige Basler SP-Nationalrat Rudolf Rechsteiner etwa befürchtet, dass damit der Ausbau der Solarenergie gestoppt wird. «Wenn sich diese Strafgebühren verbreiten, werden Solaranlagen in der Schweiz flächendeckend unwirtschaftlich.»
Rechsteiner spricht von «weiteren schikanösen Methoden», mit denen Solaranlagenbesitzer derzeit vergrault würden. Die Netzbetreiber verlangten teils extrem hohe Gebühren für die Messung der Stromproduktion. Umgekehrt gebe es für gewisse Solaranlagenbesitzer kaum noch Geld für den Strom, den sie von ihrem Dach ins allgemeine Netz einspeisen. Tatsächlich variieren die Preise für den Solarstrom vom Dach in der Schweiz zwischen 3,5 und 25 Rappen pro Kilowattstunde.
«Keine versteckte Agenda»
Rechsteiner wirft den grossen Stromversorgern vor, sie betrieben ein falsches Spiel: «Sie spielen ihre Monopolmacht aus, indem sie alle Fotovoltaik-Anlagen, die sie nicht selber besitzen, diskriminieren» Den Vorwurf lässt Zwald vom VSE nicht gelten. «Von einer ‹hidden Agenda› kann überhaupt keine Rede sein», betont er. Es gehe vielmehr darum, für alle Stromkonsumenten gleich lange Spiesse zu schaffen.
Ein bisschen anders tönt es beim Bundesamt für Energie. Kleine Solaranlagenbesitzer mit Eigenverbrauch dürften gegenüber allen anderen Stromkunden nicht benachteiligt werden, sagt der Leiter erneuerbare Energien, Frank Rutschmann.
Der konkrete Fall aus dem Kanton Zug müsste vertieft geprüft werden, sagt er, denn die Netzbetreiber hätten trotz allem gewisse Freiheiten. Ob das Vorgehen der dortigen Elektrizitätsunternehmen rechtens sei, könne er allerdings nicht sagen. Dafür sei allenfalls die Eidgenössische Elektrizitätskommission Elcom zuständig.
Wie wird das Stromnetz finanziert?
Im Bundesamt für Energie beobachte man die divergierenden Interessen zwischen den grossen Stromproduzenten und den kleinen Solaranlagenbesitzern genau, sagt Rutschmann. Er geht davon aus, dass diese Diskussion auch in den nächsten Jahren noch weitergehen werde.
Denn die Frage, wer mit seiner Stromrechnung wie viel an den Unterhalt der Stromnetze zahlt, die wird sich bald nicht mehr nur für Solaranlagenbesitzer stellen. Mit dem neuen Stromversorgungsgesetz wird diese Frage bald für alle Stromkunden zum Thema werden.