Tausende Kunden dürften in diesen Tagen das gleiche Problem haben. Sie erhalten lästige Telefonanrufe von Callcentern, welche mit den Kunden Termine für neue Versicherungslösungen vereinbaren möchten. Immer häufiger werden die Konsumenten auch auf ihre Handys angerufen.
Beratungstermine werden im Internet verkauft
Ziel der Anrufe ist die Vereinbarung eines Beratungstermins. Was viele belästigte Kunden nicht wissen: Hinter den Anrufen steckt ein lukratives Geschäftsmodell für Terminvermittler. Und so funktioniert es: Der Call-Agent vereinbart mit dem Kunden einen Termin für eine kostenlose Beratung. Der vereinbarte Termin wird anschliessend auf einer Terminbörse im Internet zum Kauf angeboten. Diese Termine werden durch Versicherungsmakler gekauft, um anschliessend beim Kunden das versprochene Beratungsgespräch wahr zu nehmen.
Mit dem Handel von Beratungsterminen lässt sich gutes Geld verdienen. Für einen einzigen Beratungstermin können Vermittler in Terminbörsen bis zu 100 Franken verlangen, wie die Sendung «10vor10» recherchiert hat.
Oft seien die Preise sogar noch höher, sagt der Krankenkassenexperte von Camparis, Felix Schneuwly, in der Sendung. «Wenn jemand nur an einer Grundversicherung interessiert ist, hat der Termin weniger wert. Ist aber jemand an einer privaten Spitalversicherung interessiert und bleibt dann 30 oder 40 Jahre bei einer Versicherung, hat der Termin viel mehr wert und ist daher teurer.»
Krankenkassen wissen Bescheid
Vom Terminhandel wissen auch die Krankenkassen. Diese erklären jedoch, ihre Makler kauften die Termine nur über seriöse Vermittlungskanäle. Die grosse Schweizer Krankenkasse, Helsana, mit über einer Million Versicherten, erklärt bei «10vor10»: «Die Anrufe unseriöser Callcenter sind ein grosses Ärgernis und rufschädigend für die Branche. Beschwerden von Kunden gehen wir rigoros nach.»
Krankenkassen-Experte Felix Schneuwly sagt jedoch, die Kassen würden den Ärger durch Callcenter in Kauf nehmen. Er vergleicht den Vorgang mit dem System des Geldwaschens bei Banken: «Wenn eine Krankenkasse nicht prüft, ob ein solcher Termin korrekt zustande gekommen ist, hat sie schlussendlich ein Imageproblem.»
Branchenverband gelobt Besserung
Dass die Krankenkassen wegen der ärgerlichen Kundenwerbung ein Imageproblem haben, ist sich auch der Dachverband der Schweizer Krankenversicherer, Santésuisse, bewusst. Der Verband reagiert mit einer neuen Branchenvereinbarung, welche per Anfang 2016 in Kraft tritt. Sie verpflichtet die Krankenversicherer, weder selbst, noch durch beauftragte Dritte – namentlich Vermittler und Callcenter – Werbeanrufe durchführen zu lassen.
Ziel ist es, dass es keine aggressiven Telefonanrufe mehr gibt.
Gemäss «10vor10»-Recherchen haben bisher 14 Versicherer die Vereinbarung unterzeichnet. Gut ein Drittel der Versicherten. Verena Nold, Direktorin von Santésuisse, geht davon aus, dass sich weitere der Branchenvereinbarung anschliessen werden. «Das Ziel ist es, dass es keine aggressiven Telefonanrufe mehr gibt. Es sollen nur noch die Leute angerufen werden, die die Versicherung wechseln wollen.»