Eine Operation birgt immer Risiken. Deshalb sind im Vorfeld wichtige Fragen zu klären. Darunter auch diese: Macht die Operation überhaupt Sinn? Zweitmeinungen können in solchen Fällen Klarheit schaffen.
«Etwa die Hälfte der Personen, die eine Zweitmeinung einholt, verzichtet auf eine Operation und wählt stattdessen eine klassische Behandlungsform», sagt Sandra Djordjevic von der CSS. Sie gehe dabei von Zahlen aus, welche der Versicherung vorliegen. Die CSS ist mit 1,6 Millionen Versicherten eine der grössten Krankenkassen der Schweiz.
Es wird zu viel operiert.
Die CSS setzt deshalb auf ein digitales Angebot: Die Krankenkasse ist Partnerin der Plattform « Meine Zweitmeinung ». Das Start-Up vermittelt Zweitmeinungen im Bereich Orthopädie und neu auch für Gefässerkrankungen. Patienten laden dabei ihre persönlichen Daten und Akten ins Netz. Einige Tage später erhalten sie eine unabhängige Zweitmeinung.
Patient behält Kontrolle
Der CEO und Mitbegründer der Plattform «Meine Zweitmeinung», Richard Etter, sagt, Zweitmeinungen einholen sei heute mühsam. Das digitale Angebot entspreche dem Patientenbedürfnis. Der Unterschied sei, dass der Weg nicht über die Versicherung führe und damit lange dauere. Die Versicherung habe auch keinen vollen Zugriff.
«Bei uns übernimmt die Versicherung die Kosten, aber der Patient behält die Kontrolle. Er erhält innerhalb von zehn Tagen eine unabhängige fundierte Zweitmeinung, die ihm weiterhilft, und er kann nachher selber entscheiden, was er macht», erklärt Etter.
Vereinfachtes Prozedere spart Kosten
Für eine weitere Expertise reiche mitunter eine Zweitmeinung ohne direkten Patientenkontakt, sagt Jürg Schmidli, Chefarzt für Gefässchirurgie am Inselspital Bern.
Schmidli bietet über die neue Plattform Zweitmeinungen an. Dieses vereinfache die Prozedur und spare Kosten. «Es wird zu viel operiert, doch wir wissen nicht genau, wie viel zu viel operiert wird. Diese Plattform kann ein Regulativ sein, um dies einzudämmen.» Auch Schmidli nennt beeindruckende Zahlen. Er sagt, 30 Prozent der Zweitmeinungs-Patienten verzichteten auf eine Operation.
Persönliche Fragen bleiben auf der Strecke
Zweitmeinungen helfen bei der Entscheidung, ob ein Eingriff wirklich nötig ist. Eine Frage, die mitunter Ärzte beantworten, die den Patienten nie zu Gesicht bekommen. Erfolge die Zweitmeinung elektronisch im Internet, schaffe dies noch mehr Distanz zwischen Arzt und Patient, kritisiert Erika Ziltener von der Schweizerischen Patientenstelle.
Eine elektronische Zweitmeinung schafft noch mehr Distanz zwischen Arzt und Patient.
Kein Persönlicher Kontakt zum Arzt sei zudem heikel. «Viele Fragen entwickeln sich im Gespräch», betont Erika Ziltener. Bei einer elektronischen Zweitmeinung könne man persönliche Fragen nicht einbringen. «Sie werden als Mensch nicht voll wahrgenommen», so Ziltener weiter.
«Es ist sicher nicht das gleiche wie der persönliche Kontakt, es soll auch nicht das gleiche sein», entgegnet Jürg Schmidli. Man wolle dem Patienten nur helfen zu bestimmen, ob er auf dem richtigen Weg ist oder nicht.