Das Obergericht des Kantons Zürich hat einen brisanten Entscheid gefällt. Es verlangt von der Zürcher Staatsanwaltschaft, gegen die Bank Coutts eine Strafuntersuchung zu führen. Grund: Das Zurückbehalten von versteckten Provisionen, sogenannten Retrozessionen. Im Februar hatte die Staatsanwaltschaft III für Wirtschaftsdelikte des Kantons Zürich verfügt, in dieser Sache keine Strafuntersuchung einzuleiten.
Jetzt hat das Obergericht die Verfügung der Staatsanwaltschaft korrigiert. «Es ist ein wichtiger Entscheid für Bankkunden», sagt der Zürcher Rechtsanwalt Dieter C. Söhner gegenüber «10vor10». Söhner hat die Strafanzeige gegen die Bank Coutts eingereicht, wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung, Privatbestechung und Betrug.
«Ergebnisoffenes Verfahren»
Es handelt sich um die erste Strafanzeige eines Bankkunden gegen eine Bank wegen des Zurückbehaltens von versteckten Provisionen. Anwalt Söhner stellt fest: «Das Obergericht hat unabhängig entschieden.» Er vermutet, dass die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft wirtschaftspolitische Gründe hatte. «Die Banken sollten in Zusammenhang mit Retrozessionen von Strafverfahren verschont bleiben.»
Dem widerspricht Corinne Bouvard, Mediensprecherin der Zürcher Oberstaatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft führe ihre Verfahren unabhängig. «Politische Gesichtspunkte spielen bei der Beurteilung und Verfahrensführung keine Rolle.» Weiter hält sie zum Entscheid fest: «Die Staatsanwaltschaft hat den Entscheid des Obergerichtes zur Kenntnis genommen und wird gestützt auf diesen ein ergebnisoffenes Verfahren führen.»
Es geht um jährlich drei Milliarden Franken
Die Staatsanwaltschaft III habe die Ansicht vertreten, dass die Vorwürfe auf der zivilrechtlichen Ebene geklärt werden müssten, erklärt Bouvard weiter. «Das Obergericht vertritt einen anderen Standpunkt, den es zu akzeptieren gilt.»
Retrozessionen sind versteckte Provisionen, die Banken beispielsweise von Anlagefonds-Gesellschaften für den Vertrieb von Finanzprodukten erhalten. Gemäss einer Branchenschätzung streichen Finanzfirmen jährlich drei Milliarden Franken mit solchen Provisionen ein. Ein Teil dieser Gelder gehört den Kunden, wie das Bundesgericht schon mehrfach festgehalten hat. Die Rückforderung der Retrozessionen auf zivilrechtlichem Weg gestaltete sich für viele Kunden indes schwierig. Das strafrechtliche Verfahren ist für sie deshalb von Belang.
Die Bank Coutts wollte sich gegenüber «10vor10» nicht zum Entscheid des Obergerichts und zu dem gegen sie angestrengten Strafverfahren äussern.