Der Gegenstand in der Hand des Zollbeamten sieht aus wie eine Taschenlampe – ein zirka zehn Zentimeter langer Zylinder aus schwarz lackiertem Metall mit einem Knopf an der Seite. Der Zollbeamte drückt drauf. Sofort schiessen kleine Blitze aus dem Zylinder, ein lautes Knistern und Knacken ertönt. Ein sogenannter Taser, ein Elektroschocker. «Streng verboten», sagt der Zollbeamte, «unglaublich, was man alles bekommt im Internet».
Briefe und kleine Päckli, die Schweizer im Ausland bestellen, landen hier im Briefpostzentrum Mülligen. Bis zu 180'000 ausländische Sendungen laufen pro Tag über die schwarzen Förderbänder. Beobachtet von Zollbeamten, die verdächtige Pakete untersuchen. Sie fischen vor allem Drogenlieferungen raus. Der Elektroschocker ist sozusagen Beifang.
Ein Kollege des Zollbeamten schlitzt bereits das nächste Paket auf, eine silberne Plastiktüte. Im Innern befinden sich 25 grasgrüne Tabletten, luftdicht verpackt. Eine Analyse ergibt: sie enthalten MDMA, den Wirkstoff der Partydroge Ecstasy. Täglich entdecken die Mitarbeiter des Briefpostzentrums Mülligen mehrere solcher Drogenlieferungen.
Schweizer Darknet-Studie
Seit man im Internet Heimelektronik, Kleider und Essen kaufen kann, kann man im Internet auch Drogen kaufen. Im sogenannten Darknet, einer versteckten Version des Internets, gibt es Online-Shops für alles Illegale. Davon machen auch Schweizer Konsumenten Gebrauch, wie die Szene aus Mülligen zeigt. In welchem Ausmass versuchten Mitarbeiter der Stiftung «Sucht Schweiz» ausfindig zu machen. Vor kurzem publizierten sie eine Studie dazu.
Sie analysierten Daten der illegalen Plattform «AlphaBay», des ehemals grössten Handelsplatzes im Darknet. Mittlerweile wurde sie von der Polizei geschlossen. Die Mitarbeiter von «Sucht Schweiz» hatten Zugriff auf die Daten der Webseite. Für die Studie untersuchten sie alle Bestellungen, die während eineinhalb Jahren bei Schweizer Händlern eingegangen waren.
Ein kleiner, aber lukrativer Markt
In den Jahren 2016 bis Sommer 2017 machten die Händler aus der Schweiz einen Umsatz von gut 1.3 Millionen Franken. «Gemessen am gesamten Betäubungsmittelmarkt ist das ein sehr kleiner Anteil», sagt Frank Zobel, Vizedirektor von «Sucht Schweiz», «doch es gibt Hinweise, dass das Phänomen wächst».
Für die Schweizer Dealer lohnt sich der Handel übers Internet schon jetzt – trotz weniger Kunden und vergleichsweise tiefem Umsatz. Das Geld verteilt sich auf eine kleine Anzahl Händler, wie die Studie von «Sucht Schweiz» zeigt. Einzelne Anbieter verdienten fast 30’000 Franken pro Monat.
Falsche Sicherheit
«Sucht Schweiz»-Vizedirektor Zobel mutmasst, dass der Internet-Drogenhandel aktuell von einer kleinen Gruppe Eingeweihter gepflegt wird. Später könne er aber zu einem breiteren Phänomen werden. Stephan Walder, Co-Leiter des Kompetenzzentrums Cybercrime der Zürcher Strafverfolgungsbehörden, pflichtet ihm bei. «Ich kann mir vorstellen, dass der Drogenhandel im Internet Schule machen wird. Der Konsument schätzt, dass er den Dealer nicht mehr direkt treffen muss.»
Doch die vermeintliche Anonymität des Darknets ist eine trügerische. Das zeigt sich im Briefpostzentrum Mülligen. Wenn die Zollbeamten Drogen finden, melden sie das der Polizei und diese nimmt Ermittlungen auf. Erst kürzlich kam die Kantonspolizei Zürich so diversen Dealern und Konsumenten auf die Schliche.