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Schweizer Nachrichtendienst Spionageabwehr im Netz: Was illegal war, soll legal werden

Fünf Jahre lang haben Cyberspezialisten des Schweizer Nachrichtendienstes ohne die nötige Bewilligung Daten überwacht.

Niklaus Oberholzer, ein früherer Bundesrichter, hat die Affäre im Auftrag von Verteidigungsministerin Viola Amherd untersucht. Sein Fazit ist eindeutig. «Es wurden unrechtmässig Daten beschafft.» Cyberspezialisten im Nachrichtendienst taten, was sie nicht hätten tun dürfen.

Konkret liess sich der Nachrichtendienst Daten geben von Internetanbietern zum Beispiel: sogenannte Verbindungsdaten. Sie zeigen, wer sich wann und wie mit wem verbindet im Netz.

Gerichtsbeschluss wäre nötig

Die Cyberspezialisten haben damit ausländischen Spionen und Hackern nachgespürt. Das Problem daran ist, dass sie ohne Gerichtsbeschluss diese Daten nicht hätten annehmen dürfen, auch wenn die Internetanbieter die Daten freiwillig weitergegeben haben. «Es fand ein Eigenleben statt, in dem Cyber-NDB im Wesentlichen seine eigene Agenda verfolgte», sagt Niklaus Oberholzer, der Untersuchungsleiter.

Wenn die Einheit erfolgreich ist, wird vielleicht die Bereitschaft grösser, den Erfolg nicht zu hinterfragen
Autor: Niklaus Oberholzer Untersuchungsleiter Cyberabwehr VBS

Man sei einfach davon ausgegangen, dass alles legal sei. Und niemand im Nachrichtendienst habe den Erfolg der Cyber-Spionage-Abwehr gefährden wollen. «Das dürfte mit ein Puzzleteil sein, dass die neu geschaffene Einheit ausgesprochen erfolgreich war. Wenn die Einheit erfolgreich ist, wird vielleicht die Bereitschaft grösser, den Erfolg nicht zu hinterfragen», so Oberholzer.

Für mich ist unverständlich, dass die Chefetage nicht eingeschritten ist
Autor: Niklaus Oberholzer Untersuchungsleiter Cyberabwehr VBS

Intern habe es kritische Fragen gegeben. Trotzdem schritt die Chefetage nicht ein. «Für mich ist unverständlich, dass dies nicht geschehen war», sagt Oberholzer.

Kein Straftatbestand

Das sind happige Vorwürfe an die früheren Geheimdienstchefs Markus Seiler und Jean-Philippe Gaudin. Trotzdem empfiehlt Untersuchungsleiter Oberholzer, es solle keine Strafanzeige geben. Führungsprobleme seien strafrechtlich nicht relevant. Es gehe nicht um «extrem problematische persönliche Daten» und vor allem habe niemand mit Absicht das Gesetz gebrochen. «Nicht jede irrtümliche Auslegung erfüllt bereits einen Straftatbestand.»

Es wird in diesem Fall keine Strafanzeige geben.
Autor: Renato Kalbermatten VBS-Sprecher

Bereits jetzt ist klar: Verteidigungsministerin Viola Amherd, die oberste Chefin über den Nachrichtendienst, folgt dem Untersuchungsbeauftragten und verzichtet auf rechtliche Schritte. Das bestätigt ihr Sprecher Renato Kalbermatten: «Es wird in diesem Fall keine Strafanzeige geben. Die Empfehlung ist hier auch ganz klar begründet.»

Interessant ist eine weitere Empfehlung im Untersuchungsbericht, nämlich: Die Politik solle aktiv werden und dem Nachrichtendienst erlauben, Internetdaten ohne Gerichtsbeschluss auswerten zu dürfen. Mit anderen Worten: Was jahrelang illegal geschah, soll künftig legal sein. Das letzte Wort wird das Parlament haben.

Info 3, 12.12.2022, 12 Uhr

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