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Schweizer Wald Die steigende Waldgrenze und der Schutz vor Lawinen

Die Waldgrenze steigt. Nicht nur wegen der Klimaerwärmung, sondern auch, weil heute weniger Alpweiden genutzt werden als noch im 19. Jahrhundert. Eine höhere Waldgrenze kann vor Lawinen schützen. Wie genau, zeigt der Versuchswald Stillberg in Davos.

«An der Fichte kann man es gut beobachten», sagt Peter Bebi im Hochtal Dischma bei Davos, beim Blick von der Stillbergalp auf den Gegenhang. «Die Fichte wächst immer weiter hinauf in die Lärchenwälder hinein, die früher oft durch die Beweidung offen belassen wurden. Aber auch die Lärche steigt höher, ebenso die Arve.»

Peter Bebi leitet die Forschungsgruppe «Gebirgsökosysteme» am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos und ist im Dischmatal aufgewachsen, direkt am Fusse des Hanges mit der Versuchsaufforstung Stillberg. «Ich hatte das Glück, dass ich schon vor dem Studium als Helfer mitarbeiten und Bäumchen messen konnte. Jedes Jahr hat man hier das Überleben und das Wachstum der Bäumchen überprüft.»

92'000 Bäumchen gepflanzt

Wie viele andere Alpentäler wurde auch das Dischma vom Lawinenwinter 1951 schwer getroffen. Dies löste ein Umdenken aus: Wie kann man die Waldgrenze zum Schutz weiter hinaufsetzen?

Ein Hügel mit Bäumen.
Legende: Der Versuchswald Stillberg in Davos. Im oberen Teil des Bildes ist die Versuchsaufforstung Stillberg zu sehen. Das Hauptziel der Forschung lag einst beim Lawinenschutz, heute werden vermehrt auch Experimente rund um den Klimawandel durchgeführt. SRF

Nach langer Vorbereitung wurde am Stillberg über der damaligen Waldgrenze eine Versuchsfläche systematisch bepflanzt, mit 92'000 Bäumchen – Lärchen, Bergföhren und Arven. Fünfzig Jahre später steht hier ein Gebirgswald auf einer Höhe von 2'000 bis 2'200 m ü. M. Peter Bebi erklärt: «Der Hauptgrund ist, dass man auf natürliche Art den Lawinenschutz verbessern wollte – dort, wo man den Schutzwald wieder haben will. Dass man dort Bäume pflanzt und sieht, wo das möglich ist, mit welchen Baumarten und mit welchem Pflanzungsschema.»

Die Lärche profitiert – und die Arve?

Trotz des rauen Bergklimas stehen hier mittlerweile Bäume, die bis zu 13 Meter hoch sind. Weitaus am besten erging es den Lärchen. Das hat auch damit zu tun, dass diese im Herbst ihre Nadeln verlieren – anders als die Bergföhren und Arven, die hier in grosser Zahl einem Schneepilz zum Opfer gefallen sind.

In den letzten Jahren gab es fast keine Lawinen mehr.
Autor: Peter Bebi Gruppenleiter Gebirgsökosysteme SLF

Obwohl die Arve als «Königin der Alpen» gilt und Wind und Wetter trotzen kann, kann sie sich nur langsam noch weiter nach oben ausbreiten und den klimatischen Veränderungen durch die Erwärmung nur langsam folgen. Das haben andere Untersuchungen gezeigt.

Bild mit Bergen. Man sieht die Waldgrenze
Legende: Die Waldgrenze im Kanton Graubünden. In den letzten Jahrzehnten ist die Waldgrenze kontinuierlich gestiegen. Dies wegen dem Klimawandel und zurückgehender Bewirtschaftung. SRF

Peter Bebi meint allerdings, es sei alles eine Frage des Standorts und des Untergrunds, auch am Stillberg: «An den guten Standorten, wo die Arve auch in der Natur vorkommt – nämlich auf Rippen, Kuppen und felsigen Standorten – wächst sie auch in dieser Höhe gut, vorausgesetzt der Tannenhäher sorgt weiterhin für eine ausreichende Verbreitung der Arvennüsse.» Zudem könne die Arve relativ gut mit Trockenheit umgehen.

Und gut ist hier mittlerweile auch der Schutz vor Lawinen: «In den letzten Jahren gab es fast keine Lawinen mehr. Wenn die Bäume mehr als doppelt so hoch sind wie die maximale Schneehöhe, die zu erwarten ist, dann erfüllen sie eine gute Schutzfunktion.»

Schweiz aktuell, 24.07.2023, 19:00 Uhr

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