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Seilziehen um Asylpakt Italien koppelt Rücknahme von Asylsuchenden an Solidarität

  • Der Ständerat entscheidet, ob sich die Schweiz am Asyl-Solidaritätsmechanismus der EU beteiligen soll.
  • Der Vorschlag: Die Schweiz soll nur mitmachen, wenn sich Staaten wie Italien an ihre Asyl-Verpflichtungen halten.
  • Italien wiederum will erst wieder kooperieren, wenn der Solidaritätsmechanismus funktioniert.

Nicht weniger als 1'735 Asylsuchende hätte Italien inzwischen von der Schweiz übernehmen müssen. Weil diese zuerst in Italien registriert worden sind. So sieht es das Dublin-Abkommen der EU vor, dem sich die Schweiz angeschlossen hat. Doch seit dem Amtsantritt der Regierung von Giorgia Meloni Ende 2022, nimmt Italien keine Asylsuchenden aus Dublin-Staaten mehr zurück. Italiens Weigerung trübt die positive Dublin-Bilanz der Schweiz.

Vor wenigen Monaten noch hatte Justizminister Beat Jans gegenüber SRF die Hoffnung geäussert, dass Italien bis im Oktober einlenken könnte. Doch bis dato deutet nichts darauf hin.

Was der Asylpakt mit dem Italien-Streit zu tun hat

Nun verleiht die Debatte über den Migrations- und Asylpakt der EU dem Streit mit Italien zusätzliche Brisanz. Umstritten nämlich ist die Frage, ob sich die Schweiz freiwillig am so genannten Solidaritätsmechanismus beteiligen soll. Konkret: Ob sie freiwillig Länder mit hohen Asylzahlen unterstützen soll, indem sie ihnen Asylsuchende abnimmt, Geld zahlt oder aber Personal zur Verfügung stellt.

Ein Schweizer Grenzwächter sitzt mit einem Asylsuchenden am Tisch und übergibt ihm ein Formular..
Legende: Ein Grossteil der Asylsuchende gelangt über Italien in die Schweiz. Seit Ende 2022 kommt Italien seinen Verpflichtungen im Rahmen des Dublin-Abkommens nicht mehr nach. Keystone / PABLO GIANINAZZI

Die zuständige Kommission des Ständerats verknüpft den Solidaritätsmechanismus mit dem Italien-Dossier. Konkret soll die Schweiz nur dann mitmachen beim Solidaritätsmechanismus, wenn das Dublin-System gegenüber der Schweiz «im Wesentlichen» funktioniert – will heissen: Wenn Italien wieder Asylsuchende zurücknimmt. Nun entscheidet der Ständerat im Plenum, ob er diese Bedingung ins Gesetz schreibt.

Die Katze beisst sich in den Schwanz

Doch die Sache ist verzwickt. Denn jetzt wird bekannt: Italien will erst dann wieder Asylsuchende zurücknehmen, wenn der Solidaritätsmechanismus in Kraft tritt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) bestätigt auf Anfrage: «Italien hat die Wiederaufnahme der Überstellungen mit der Umsetzung des EU-Migrations- und Asylpakts und insbesondere des Solidaritätsmechanismus verknüpft.»

Schweizer Bemühungen in Italien bislang fruchtlos

Box aufklappen Box zuklappen

Justizminister Beat Jans und seine Vorgängerin Elisabeth Baume-Schneider haben Italien wiederholt dazu aufgerufen, sich an seine Dublin-Verpflichtungen zu halten. Zuletzt wiederholte auch SEM-Direktor Vincenzo Mascioli diese Mahnung bei einem Treffen mit seiner italienischen Amtskollegin Ende Juli in Rom. Alle Mahnungen und Aufrufe blieben bislang fruchtlos – auch für ein schon länger geplantes erneutes Treffen zwischen Bundesrat Beat Jans und Italiens Innenminister Matteo Piantedosi gibt es noch keinen Termin.

Wenn sich die Schweiz erst dann solidarisch zeigt, wenn Italien kooperiert - und Italien erst kooperiert, wenn sich Europa solidarisch zeigt: Dann beisst sich bildlich gesprochen die Katze in den Schwanz. Das SEM drückt sich diplomatischer aus. «Es geht beim EU-Pakt auch darum, dass alle Staaten einen Schritt aufeinander zugehen», schreibt das Staatssekretariat.

Wer macht den ersten Schritt?

Die Ständerätinnen und Ständeräte entscheiden, ob sie den ersten Schritt machen. Ähnliche Fragen stellt sich bald auch auf EU-Ebene: Am 15. Oktober wird die EU-Kommission festlegen, welche Staaten vom Solidaritätsmechanismus profitieren sollen. Gleichzeitig wird sie auch feststellen, welche Staaten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Zeigt die EU-Kommission dabei auf Italien, könnte das Folgen haben: Die Mitgliedstaaten dürfen dann auf Solidaritätsleistungen zu Gunsten von Italien verzichten. In diesem Fall würde Italien wohl weiterhin auf die Rücknahme von Asylsuchenden verzichten.

Das Dilemma, das sich den EU-Verantwortlichen stellt, ist also vergleichbar mit dem Schweizer Dilemma. Die Aussicht auf umfassende Solidaritätsleistungen allerdings könnte den Druck auf Italien in den nächsten Wochen erhöhen.

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Tagesschau kompakt, 8.09.2025, 12:45 Uhr

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