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Seit bald 50 Jahren Im Baselbiet: der wohl längste Landwirtschaftsversuch der Welt

Seit 1978 vergleichen Forschende in Therwil BL biologischen und konventionellen Anbau – mit Erkenntnissen für die Landwirtschaft der Zukunft.

Seit bald 50 Jahren betreiben der Bund (Agroscope) und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Therwil einen Langzeitversuch zur Landwirtschaft. Auf einer Hektare Boden untersuchen sie, wie sich biologische und konventionelle Anbaumethoden auf Ertrag, Bodenqualität und Klima auswirken.

Versuchsfeld in Therwil: Auf engstem Raum werden verschiedene Anbausysteme nebeneinander getestet.
Legende: Versuchsfeld in Therwil: Auf engstem Raum werden verschiedene Anbausysteme nebeneinander getestet – von biologisch-dynamisch bis konventionell. Keystone/Georgios Kefalas

96 einzelne Flächen gehören zum Versuch. Angebaut werden im Moment Kartoffeln, Weizen und das Futtermittel Kleegras. Jochen Meyer, Wissenschaftler bei Agroscope und Co-Leiter des Versuchs «DOK», erklärt, dass die gleichmässige Bodenqualität eine Rarität sei: «Das ist hier ein super Ackerbauboden, einer der besten in der Schweiz.»

Die Biosysteme machen ungefähr 85 Prozent der Erträge von konventionellen Systemen.
Autor: Jochen Meyer Wissenschaftler bei Agroscope und Co-Leiter des Versuchs «DOK»

In Beeten werden nebeneinander Kartoffeln nach verschiedenen Methoden angebaut. Die Resultate der Versuche seien eindeutig: «Die Biosysteme machen ungefähr 85 Prozent der Erträge von konventionellen Systemen», sagt Meyer. Zwar werden rund ein Drittel weniger Stickstoffdünger und etwa zehnmal weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt – die Einbussen seien im Durchschnitt aber relativ gering.

Bio ist effizient – aber weniger konstant

Allerdings gebe es Unterschiede je nach Kultur: «Wenn man jetzt die Kulturen anschaut, die für die menschliche Ernährung relativ wichtig sind – nämlich Getreide und Kartoffeln –, dann sind die Ertragsunterschiede schon grösser.»

Bei Kartoffeln, die besonders anspruchsvoll im Pflanzenschutz seien, könne im Schnitt rund ein Drittel weniger geerntet werden. Zudem seien die Erträge bei Bio weniger konstant: «Es gibt rund 40 Prozent mehr Schwankungen als bei konventionell bewirtschafteten Flächen.»

Ein Versuch mit internationaler Strahlkraft

Es gebe viele andere Versuche, biologische und konventionelle Landwirtschaft zu vergleichen, sagt Meyer, «aber keiner dauert so lange wie der Schweizer Versuch». Auch Else Bünemann vom FiBL betont: «Bei keinem wird wissenschaftlich so exakt analysiert, wie sich die verschiedenen Anbaumethoden auf den Ertrag und den Boden auswirken.»

Ein Vorteil des Versuchs sei die gleichzeitige Beobachtung mehrerer Kulturen: «Wir haben jedes Jahr drei verschiedene Kulturen gleichzeitig und können so klimatische Schwankungen und schwierige Jahre für eine Kultur immer wieder ausgleichen und wirklich zu einem gesicherten Ergebnis kommen», so Bünemann.

Ein Mann arbeitet mit einem Landwirtschaftsgerät auf dem Feld.
Legende: Der «DOK»-Versuch in Therwil läuft seit 1978 und gilt als einer der weltweit am längsten laufenden Feldvergleiche. Künftig soll der Klimawandel im Fokus der Forschung stehen. Keystone/Georgios Kefalas

Auch die Auswirkungen auf das Klima stehen im Fokus. «Wenn insgesamt etwas weniger Stickstoff im System ist – also vor allem etwas weniger verfügbarer Stickstoff –, dann sind auch die Emissionen von Lachgas geringer», erklärt Bünemann. «Und Lachgas ist ein sehr, sehr potentes Treibhausgas.» Bei der Klimakrise gebe es noch viel zu forschen. Klar sei bis jetzt schon: Bioanbau hat klare Vorteile.

Blick in die Zukunft

Um die biologische Landwirtschaft in Zukunft noch effizienter zu machen, brauche es neue Ansätze, ist Meyer überzeugt: «Zum Beispiel die Nutzung von Stickstoff aus Abwasser oder direkt aus menschlichem Urin.» Und weiter: «Dann könnten wir Stoffkreisläufe schliessen und hätten eigentlich genau die Menge, die es braucht, um die Ertragslücke zu schliessen.»

Noch sei dies Zukunftsmusik. Die grosse Versuchsfläche in Therwil soll – wenn es nach den Verantwortlichen geht – mindestens weitere 50 Jahre betrieben werden. Seit 1978 hat der Versuch laut FiBL und Agroscope über 140 wissenschaftliche Publikationen sowie zahlreiche Master- und Doktorarbeiten hervorgebracht.

Echo der Zeit, 25.6.2025, 18:00 Uhr ; 

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