Wer Backwaren bestellen will, wird im Internet fündig: Sarahs Schoggi-Chuchi, Nancys Naschwerk, Manufaktur Chez Karin. Es gibt schier endlos viele Angebote – meist von Frauen. Viele von ihnen sind gelernte Bäckerinnen, Konditorinnen, die ihre Anstellung in einer Bäckerei aufgegeben haben und nun aus dem eigenen Atelier, der eigenen Backstube, von zu Hause aus backen.
Auch Tanja Bauer ist gelernte Confiseurin, die nun in ihrem eigenen Atelier in Gümligen (BE) vor allem Torten auf Bestellung herstellt: «Ich bin positiv überrascht, wie gut es läuft.» Während der Hochzeitssaison stellt Bauer bis zu 15 Torten pro Woche her.
Die Nachfrage nach speziellen, individuellen Torten sei stark gestiegen: «Die Kunden sind gewillt, für das Spezielle, Personalisierte mehr zu bezahlen als für das Industrielle vom Confiseur.»
Selbstständige Confiseurin wegen Corona
Die Bäckereien, Confiserien würden immer häufiger Standardprodukte anbieten, die vermehrt auch maschinell hergestellt werden. Da gehe das Handwerk verloren, meint Bauer.
Das sei ein Grund, weshalb gelernte Confiseure die Konditoreien verlassen: «Von meinem Jahrgang kann ich an einer Hand abzählen, wer noch auf dem Job arbeitet.»
Ein weiterer Grund sei das Arbeitsklima. Sie habe ihre Lehre zwar in einem angenehmen Betrieb machen können: «Aber auch dort ist mir ein Brot um den Kopf geflogen.» Das Problem sei oft das «Patron-Denken», sagt auch Esther Gurtner, die sich ebenfalls selbstständig gemacht hat und ihre Backwaren im Hofladen der Eltern verkauft. «Wutausbrüche von Chefs habe ich natürlich auch miterlebt.»
Wutausbrüche von Chefs habe ich auch miterlebt.
Das frühe Aufstehen, die Wochenendarbeit und der eher tiefe Lohn werden zudem als abschreckend gewertet. Esther Gurtner jedenfalls möchte nicht zurück, im Gegenteil. Sie will ihre Hofbäckerei weiter ausbauen: «Hofläden sind in und gut besucht.»
Hofladen mit eigener Hofbäckerei
Zwar sei die Selbstständigkeit «kein Schoggi-Job», betonen beide, «ich bin aber jeden Tag mit Herzblut dabei», meint Esther Gurtner. «Die Freude in den Augen der Kunden ist das Schönste», sagt Tanja Bauer.
Branche spürt Abwanderung
Dass sich immer mehr gelernte Confiseurinnen selbstständig machen oder gar ganz den Beruf verlassen, spüren die Bäckereien. «Der Fachkräftemangel ist ein grosses Thema, deshalb haben wir keine Freude an der Entwicklung», sagt Johann Eichenberger, Präsident des Vereins Bäcker-Confiseure Bern-Solothurn, dem grössten regionalen Verband der Schweiz.
Die Fachleute fehlen.
Ihm sei bewusst, dass die Arbeitszeiten nicht für alle attraktiv seien. «Aber die Kunden wollen halt am Morgen ihr frisches Gipfeli», so Eichenberger. Zudem gebe es immer noch viele Konditoreien, in denen die Maschinen das Handwerk nicht ersetzten. Das Handwerk sei ihnen weiterhin wichtig, ergänzt der Schweizerische Bäcker-Confiseurmeister-Verband. Der Beruf sei körperlich anstrengend: «Eine teilweise maschinelle Unterstützung ist für die Mitarbeitenden aber eine Erleichterung und gibt auch «schwächeren» Personen die Möglichkeit, ihren Job verrichten zu können.»
Zu wenig Nachwuchs
Ein Problem der Branche ist aber auch der fehlende Nachwuchs. In Bern-Solothurn zum Beispiel ist die Anzahl Lernender 2019 erstmals auf unter hundert gesunken, 2020 traten noch knapp 80 eine Lehre an. «Das ist ein grosses Problem, das uns Sorgen bereitet», sagt Eigenberger. Man versuche, mit vielen Aktionen, mehr Lernende zu finden.
Schwierig sei auch, dass es immer weniger Lehrbetriebe gebe. «Es verschwinden immer mehr Bäckereien, stattdessen gibt es Tankstellenshops und Grossverteiler.» Die Branche stehe vor vielen Herausforderungen.