Alle Parteien ausser der SVP haben sich in der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK) für eine sanfte Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative ausgesprochen – ohne Höchstzahlen und Kontingente, dafür aber mit «Inländervorrang light». Kaum zehn Tage später ist nun alles wieder anders: Der Widerstand gegen die Idee von FDP-Nationalrat Kurt Fluri wächst. Die CVP und immer mehr FDP-Stimmen fordern jetzt mehr Härte gegenüber der EU. Im Gespräch erklärt Fluri seine Haltung zur aktuellen Entwicklung in der Frage.
SRF News: Sie sind der Architekt des «Inländervorrangs light», der nun von allen Seiten kritisiert wird. Sind sie frustriert?
Kurt Fluri: Es ist ein normaler Vorgang. Wir haben noch eine Woche bis zur parlamentarischen Beratung. Alle Leute haben den Eindruck, sie wüssten, wie es richtig wäre, die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) umzusetzen. Es werden noch viele externe Vorschläge kommen, doch nach meiner Prognose wird sich zwischen den beiden Extremen – keine Umsetzung oder volle Umsetzung ohne Rücksicht auf das Freizügigkeitsabkommen (FZA) – unser Konzept durchsetzen. Immerhin haben in der SPK auch die CVP-Mitglieder dafür gestimmt. Sie werden es nicht einfach haben, zu begründen, warum das plötzlich nicht mehr gilt. Ich gehe mit einem guten Gefühl in die parlamentarische Debatte.
Aber gerade die CVP hat in ihrer Fraktionssitzung nun beschlossen, an ihren Verschärfungsvorschlägen festzuhalten und sie im Parlament einzubringen.
Die CVP will, dass der Absatz, wonach der Bundesrat auch dann Massnahmen ergreifen kann, wenn sich die Schweiz mit Brüssel nicht darüber einig ist, wieder in die Vorlage eingefügt wird. Das ist ganz klar eine potenzielle Verletzung des Freizügigkeitsabkommens (FZA). Offenbar ist die EU bereits heute der Meinung, auch das Konzept der SPK sei heikel und es müsse ihr zur Genehmigung vorgelegt werden. Irgendwann muss sich der Nationalrat entscheiden, ob er eine Verschärfung und damit einen Konflikt mit der EU in Kauf nehmen will, oder ob er bei unserem Konzept bleiben will. Es wird zwar als sehr schwach gerügt, aber ist aus unserer Sicht verträglich mit der EU und dem FZA. Auch die Verwaltung hat sich in der Kommission so geäussert. Unseres Erachtens muss man niemanden – auch nicht die EU – fragen, ob wir dieses Konzept umsetzen wollen oder nicht.
In Ihrer eigenen Partei gibt es auch Stimmen, die mit dem milden Vorschlag nicht einverstanden sind, weil er gegen die Verfassung verstösst. Spätestens im Ständerat wird er es schwer haben.
Da bin ich mir nicht so sicher. Es wird wahrscheinlich Anträge geben, das Ganze mittels juristischer Gutachten zu überprüfen. Aber auch diese Stimmen müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir unter Zeitdruck stehen. Wir haben eine Frist bis Februar. Wir haben die Verpflichtung des Kroatien-Abkommens, damit das Forschungsprogramm «Horizon 2020» abgeschlossen werden kann. Diese Stimmen müssen wissen, dass eine Verschärfung der MEI-Umsetzung zu einem neuen Konflikt mit der EU führen würde. Das alles muss in die Waagschale geworfen werden. Es gibt keine Verschärfungen, die nicht auch die Wirtschaft zusätzlich belasten würden. Von ihr käme daher auch keine Unterstützung dafür.
Es sind aber Leute aus ihrer Partei und aus der CVP – also aus Mitteparteien, die durchaus wirtschaftsfreundlich sind und trotzdem Verschärfungen fordern.
Ja, gut. Aber ich habe den Eindruck, sie stünden zurzeit unter Druck wegen der SVP und sogenannter Stimmen aus dem Volk, die sagen, wir hätten eine Initiative nicht umgesetzt. Da muss ich aber darauf aufmerksam machen: Wir haben ein Konzept entworfen, das zu einigen tausend Fällen führen wird, wo Arbeitsplätze durch Inländerinnen und Inländer besetzt werden. Das heisst eine indirekt reduzierte Migration. Wir setzen also die Initiative um. Im Übrigen haben wir von der SVP leider nach wie vor noch keine Konkretisierung ihrer Vorstellung gehört, worin die Kontingente bestehen könnten, oder wo die Höchstzahlen lägen.
Das Gespräch führte Sarah Nowotny.