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Session «Inländervorrang light» ist eigentlich gar kein Inländervorrang

Der Nationalrat scheint die Bilateralen Verträge mit der EU nicht riskieren zu wollen. Er hat deshalb den «Inländervorrang light» gutgeheissen. Bleibt es dabei, gebe es keine Probleme mit Brüssel, sagt Europarechts-Expertin Christa Tobler. Bei einer Verschärfung durch den Ständerat jedoch sehr wohl.

Christa Tobler

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Tobler hält eine Vorlesung.
Legende: Keystone

Die Schweizerin ist eine der führenden Expertinnen für Europarecht und Professorin an den Europainstituten der Universitäten von Basel und Leiden in den Niederlanden. In ihrer Forschungsarbeit legt sie besonderes Gewicht auf Fragen der Rechtsgleichheit und Diskriminierung.

SRF News: Es war immer klar, ein eigentlicher Inländervorrang zur Steuerung der Zuwanderung ist nicht vereinbar der Bilateralen Verträge. Warum wäre denn der «Inländervorrang light» keine von den Verträgen verbotene Diskriminierung?

Christa Tobler: Weil es sich darum eigentlich um etwas anderes handelt. Es ist eine Arbeitsmassnahme, die bei der Arbeitslosigkeit ansetzt ohne den Inländern dabei rechtlich einen Vorrang zu geben. Und ohne Vorrang gibt es auch keine Diskriminierung.

Der «Inländervorrang light» wäre also eher ein «Inländervorrang zero»?

Er wäre sehr «light», ja.

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Nun könnte der Ständerat den heute gutgeheissenen Vorschlag verschärfen, etwa mit einer Schutzklausel wie sie CVP-Ständerat Gerhard Pfister will. Wie wäre dies mit den Bilateralen Verträgen vereinbar?

Bei der Schutzklausel geht es um die verfahrensrechtliche Frage was passiert, wenn es Schwierigkeiten gibt. Der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist eigentlich sehr nahe bei dem, was wir jetzt schon haben. Im bestehenden Abkommen gibt es die Klausel, die besagt, dass bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen geeignete Massnahmen ergriffen werden können.

«Inländervorrang light»

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Mit dem «Inländervorrang light» könnten Arbeitgeber verpflichtet werden, offene Stellen zuerst den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Weitergehende Massnahmen könnten nur mit Zustimmung der EU beschlossen werden. Auf Höchstzahlen und Kontingente, wie im Initiativtext gefordert, würde aber verzichtet.

Es gibt jedoch einen gewichtigen Unterschied: Gemäss bisherigem Abkommen müssten diese Massnahmen vom gemischten Ausschuss getroffen werden, eine allfällige Verschärfung würde diese Kompetenz dem Bundesrat übertragen. Allenfalls mit nachträglicher Absegnung durch den Ausschuss.

Wird die EU die Bilateralen tatsächlich künden, sollte die Schweiz das Personenfreizügigkeitsabkommen untergraben?

Ich gehe zwar nicht von einer Kündigung aus, aber wir haben ja in der Vergangenheit gesehen, dass die EU ihre Unzufriedenheit auch mittels anderer Massnahmen Ausdruck zu verleihen kann. Beispielsweise beim Forschungsabkommen «Horizon 2020». Sollte die Schweiz tatsächlich eklatant gegen das Freizügigkeitsabkommen verstossen, kann ich mir vorstellen, dass die EU über Alternativmassnahmen nachdenken wird.

Das Gespräch führte Arthur Honegger.

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