Fünf Stunden lang diskutierte der Nationalrat über die Initiative AHV Plus des Gewerkschaftsbunds – um sie danach abzulehnen. Für die Initiative waren SP und Grüne; die Bürgerlichen sprachen sich dagegen aus. Am Ende beschloss der Nationalrat das Nein mit 131 zu 49 Stimmen. Nun muss das Volk über die Vorlage entscheiden.
Die Initiative ist als Druckmittel zu den Reformplänen des Bundesrates für die Altersvorsorge gedacht. Sie verlangt eine Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent. Die Renten erlaubten es vielen nicht mehr, nach der Pensionierung ihr gewohntes Leben weiterzuführen, lautet die Begründung des Gewerkschaftsbundes.
200 Franken mehr für Alleinstehende
Für Alleinstehende würde die durchschnittliche AHV-Rente mit der Initiative um 200 Franken im Monat erhöht, für Ehepaare um 350 Franken. Kosten würde dies zurzeit rund 4 Milliarden Franken im Jahr und bis 2030 sogar 5,5 Milliarden. Damit stünde die AHV laut der bürgerlichen Mehrheit bis 2030 mit 13 Milliarden in der Kreide.
Laut den Gegnern der Initiative fehlen die Mittel für höhere Renten. Zudem sei die AHV schon jetzt verschuldet und die Gesellschaft werde ständig älter. Eine Erhöhung nach dem Giesskannenprinzip nütze zudem vor allem den Besserverdienenden, machten sie geltend.
«Unsozial und wirtschaftsfeindlich»
Für Bezüger von Ergänzungsleistungen (EL) würde die Initiative die Situation verschlechtern, sagte CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. Wenn die AHV-Renten um 10 Prozent steigen würden, würden die EL entsprechend gekürzt. Und im Gegensatz zu den EL müsse die AHV-Rente versteuert werden.
FDP-Nationalrat Bruno Pezzatti forderte, die AHV zu sanieren anstatt mit einem realitätsfremden Ausbau das wichtigste Schweizer Sozialwerk zu gefährden. Die SVP nannte die Initiative «unvernünftig, unsozial, wirtschaftsfeindlich und egoistisch», wie Sebastian Frehner es ausdrückte. «Sie nützt nur den Reichen.»
Namensänderung vorgeschlagen
Höhere Lohnbeiträge wären ein grosser Wettbewerbsnachteil, befürchtete GLP-Nationalrat Thomas Weibel. Wenn die Mehrausgaben wiederum durch die Mehrwertsteuer finanziert würden, «würde der Konsum im Inland belastet.» FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sprach von «neosozialistischen Geschenken» und meinte, die Initiative müsste eigentlich «AHV Schuldenplus» heissen.
SP und Grüne unterstützten die Initiative. Dank steigender Einkommen und dem Beschäftigungswachstum stehe die AHV finanziell gut da, und dies trotz der höheren Zahl von Rentnern.
Gespenster an der Wand
Eine Erhöhung aller AHV-Renten um 10 Prozent liege finanziell drin, betonte SP-Nationalrätin Silvia Schenker. «Es kostet die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer je 0,4 Lohnprozente.» Das sei nach 40 Jahren Stillstand bei den Lohnbeiträgen vertretbar.
Die Befürworter erinnerten an die Verfassungsbestimmung, wonach die AHV-Rente es ermöglichen muss, das gewohnte Leben angemessen weiterzuführen. Viele Senioren hätten eine zu kleine Rente für ein würdiges Leben im Alter, sagte die grüne Nationalrätin Christine Häsler. «In einem der reichsten Länder der Welt können sich Rentner nicht auf eine existenzsichernde Rente verlassen», machte Häsler geltend. Das sei stossend.
SP-Nationalrat Alexander Tschäppät kritisierte, dass Bürgerliche die AHV konsequent schlechtredeten, obwohl es ihr finanziell gut gehe. «Das Gespenst der Demografie wird an die Wand gemalt und der Kollaps der AHV vorausgesagt. Das erwies sich als Wortschrott.» Ein Nein zur Initiative nütze der Geldelite.
Initiative könnte quer zur Altersvorsorge-Reform stehen
Die Mehrheit der Sozialkommission stellte sich auch deshalb gegen die Initiative, weil diese die Reform der Altersvorsorge untergraben würde, wie CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer sagte. SP-Nationalrätin Silvia Schenker stellte dazu fest, die SGK-Mehrheit habe verhindert, dass die Initiative im Kontext der Reformvorlage zu behandeln. Die Linke hätte die Initiative sehr gerne in die Reform integriert.