Ja, die Krankenkassen sollen stärker kontrolliert werden. Hier waren sich die Parteien einig. Jedoch ist der Bundesrat nach Ansicht der Bürgerlichen mit seinem Aufsichtsgesetz zu weit gegangen. Deren Mehrheit störte sich etwa an der vom Bundesrat vorgeschlagenen Aufsicht über Versicherungsgruppen, welche auch private Zusatzversicherer erfasst hätte.
Eigenes Gesetz als Überregulierung?
Die Bedenken waren aber grundsätzlich. Der Nationalrat wies die Vorlage im letzten Dezember darum an den Bundesrat zurück mit dem Auftrag, das Aufsichtsgesetz fallen zu lassen und die Aufsicht durch eine Ergänzung des Krankenversicherungsgesetzes zu stärken. Der Ständerat beharrte jedoch auf einem gesonderten Gesetz, worauf der Nationalrat auf seinen Entscheid zurückkam.
Nun lag diesem eine von seiner Gesundheitskommission (SGK) abgeschwächte Version vor. Die SVP versuchte erneut, die Schaffung eines eigenständigen Aufsichtsgesetzes zu blockieren. Für Thomas de Courten (SVP/BL) ist das Gesetz zu unausgegoren. Es sei ein «Gesetz der kompletten Überregulierung». Die Vorlage enthalte viele Fehler. Sie bringe mehr Bürokratie und brauche zusätzliche Resourcen. Zudem greife sie in die unternehmerische Freiheit der Versicherungen ein.
Die übrigen bürgerlichen Fraktionen votierten jedoch für ein separates Gesetz – wenn auch zähneknirschend. Viele Rednerinnen und Redner orteten das Problem zwar eher beim Vollzug als bei den gesetzlichen Grundlagen. Sie unterstützten aber das Aufsichtsgesetz, um den Befürwortern der Initiative für eine Einheitskrankenkasse keine Munition zu liefern. Die Vorlage sei zum Spielball in dieser Debatte geworden, beschwerte sich BDP-Sprecher Lorenz Hess (BE).
Nach diesem Grundsatzentscheid traten die bürgerlichen Fraktionen mehrheitlich geschlossen auf. Bei der Gruppenaufsicht folgten sie dem vom Ständerat eingeschlagenen Kurs: Statt umfassender Kontroll- und Weisungsbefugnisse gegenüber Versicherungsgruppen soll das Bundesamt für Gesundheit (BAG) lediglich Einblick in die Transaktionen zwischen Grundversicherern und anderen Unternehmensteilen erhalten.
Offenlegung der Löhne ohne Namen
Vergeblich setzten sich SP, Grüne und Grünliberale für die vom Bundesrat vorgeschlagene umfassende Gruppenaufsicht ein. Ohne diese werde das Aufsichtsgesetz in einem entscheidenden Punkt geschwächt, sagte Jacqueline Fehr (SP/ZH).
Auch bei der Offenlegung des Entschädigungssystems will der Nationalrat weniger weit gehen als der Ständerat: Zwar sollen Gesamtbetrag der Entschädigungen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung bekannt gegeben werden müssen, zudem der höchste auf ein einzelnes Mitglied entfallende Betrag. Namen sollen aber keine genannt werden.
Jacqueline Fehr betonte, dass Economiesuisse bereits ein entsprechendes Regelwerk herausgegeben habe, welches sich mit dem Wortlaut des Bundesrats praktisch decke. Hier würde das Vergütungssystem genau geregelt. Sie wisse ohnehin nicht, so Fehr, weshalb man bei den Krankenversicherungen von den Economiesuisse-Regeln abweiche und weniger strenge Vorschriften erlasse.
Deutlich lehnte die bürgerliche Mehrheit auch den Vorschlag der Linken ab, den Prämienunterschied zwischen den einzelnen Kassen in einem Kanton oder in einer Region innerhalb einer Prämienkategorie auf 20 Prozent zu begrenzen. Die Mehrheit sah darin eine «politische Grösse», die in einem Aufsichtsgesetz nichts verloren habe.
Jetzt ist der Ball wieder beim Ständerat
Diskussionslos gutgeheissen hat der Nationalrat den Vorschlag seiner Kommission, wie zu hohe Prämienzahlungen in Zukunft ausgeglichen werden sollen: Versicherer, die in einem Kanton deutlich zu viel an Prämien eingenommen haben, sollen einen Ausgleich im gleichen Kanton vornehmen können.
Das Problem der lästigen Werbeanrufe soll die Branche nach Ansicht des Nationalrats selber lösen. Er will ihr dazu die Möglichkeit geben, eine Branchenvereinbarung abzuschliessen. Anders als der Ständerat lehnt die grosse Kammer eine Begrenzung von Werbekosten und Vermittlerprovisionen durch den Bundesrat jedoch ab.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage schliesslich mit 139 zu 40 Stimmen bei 8 Enthaltungen gut. Diese geht nun wieder an den Ständerat.