In einem kleinen Seitenzimmer im Bundeshaus ruft Ständerat und Schachturnier-Organisator, CVP-Ständerat Filippo Lombardi, zur Ordnung: «Darf ich die Spieler bitten, Platz zu nehmen!» Sechs Schweizer Politiker und sechs Duma-Abgeordnete, also russische Parlamentsmitglieder, treten an und setzen sich vor die Schachbretter.
Anlass für das Turnier ist das 200-Jahr-Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland. Sechs Blitzpartien laufen parallel. Konzentriert bedienen die Politiker die Stoppuhren. Nur sieben Minuten hat jeder Spieler Zeit.
Einladung vor der Krise ausgesprochen
Stargast ist Anatoli Karpow, mehrfacher russischer Schachweltmeister und Mitglied der Putin-Partei «Einiges Russland». Ein Mann, der erklären kann, was Politik und Schach miteinander zu tun haben. Wer Entscheidungen treffe, müsse immer vorbereitet sein und die Lage analysieren können, ist er überzeugt.
Definitiv nicht vorhergesehen hat Organisator Lombardi, als er letztes Jahr zum Turnier lud, dass das Treffen mit den Russen mitten in die Ukraine-Krise fallen würde. Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission, SP-Nationalrat Carlo Sommaruga, würde den Anlass daher am liebsten schachmatt setzen. «Es ist eine Schande, ein solches Turnier mit russischen Parlamentariern zu organisieren», wettert er.
Deeskalation neben dem Schachbrett
Die Gäste aus Russland seien allesamt Putin-Anhänger und hätten für die Annexion der Krim gestimmt. Mit seiner Kritik setzt Sommaruga Lombardi unter Zugzwang. Der lässt sich aber nicht so schnell aus dem Spiel nehmen. Er betont, «dass die Parlamente eine wesentliche Rolle haben müssen, um tatsächlich zu deeskalieren».
Wenn Parlamentarier beider Länder sich träfen und neben den Spieltischen die Lage in der Ukraine besprächen, dann sei das auch ein Beitrag zur Friedenssicherung. «Wenn wir die Sache nur den Verteidigungsministerien beziehungsweise den bewaffneten Leuten überlassen, dann kann es nur weiter eskalieren», so Lombardi.
Ein Zug, den Schachgrossmeister Karpow gerne so fortführt. «Unsere wichtige Rolle ist es, die Beziehungen zwischen den Parlamenten zu stärken, und die Schweiz objektiv zu informieren», so Karpow. Das klingt dann zum Beispiel so: «Wir haben überhaupt nicht vor, ukrainische Gebiete zu annektieren, wir wollen das nicht.»
Schlappe der Schweizer vorprogrammiert
Am Schachbrett zeigt sich der russische Grossmeister in Hochform. Um Jean-François Steiert, den Präsidenten der schweizerischen Parlamentarier-Schachgruppe, zu schlagen, braucht er nicht einmal eine Minute seiner Zeit.
Was Turnierkritiker Sommaruga nicht wundert. Er könne nicht verstehen, warum man ausgerechnet Schach spiele. «Wie können sich Politiker, die doch eben vorausdenken müssen, sich nur in derart hoffnungslose Partien stürzen?», spottet der Präsident der APK. Am Ende gehen die Schweizer ehrenvoll, aber krachend unter: Die Russen gewinnen ganze 25 der 36 Partien. Eine endet mit einem Remis.