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Nationalräte beugen sich über ein Dossier.
Legende: Die bürgerliche Mehrheit seit den Wahlen versenkt mit Vorliebe Vorlagen aus der letzten Legislatur. Keystone

Session Versenkt, nicht eingetreten, vom Tisch gefegt

Zwar haben National- und Ständerat in dieser Session viele Vorlagen unter Dach und Fach gebracht. Mehrere Geschäfte wollte aber mindestens eine Kammer wieder in der Schublade verschwinden lassen. Die Parlamentarier werden widerborstiger.

Gestern im Ständerat haben es die Parlamentarier wieder getan. Die kleine Kammer will nichts wissen von neuen Qualitätsmassnahmen in der Medizin. Genauso zwei Wochen davor: «Das Geschäft ist hiermit erledigt», verkündet Ständeratspräsident Raphaël Comte. Der Ständerat versenkt ein Gesetz für längere Ladenöffnungszeiten. Der Nationalrat seinerseits empfiehlt: Kein Transparenz-Zwang bei Mietpreisen. Nein, nein, und nochmals Nein.

Die Häufung in dieser Session sei kein Zufall, sagt Parlamentsforscher Daniel Schwarz von der Universität Bern: «Es handelt sich vor allem um Vorlagen, die in der alten Legislatur aufgegleist wurden. Mit den neuen Realitäten im Parlament sind diese schlichtweg nicht mehr mehrheitsfähig.» Und würden, so Schwarz, nach und nach beerdigt.

«Altlasten» werden abgebaut

Die neue Mehrheit räumt also mit alten, ihr unangenehmen Vorlagen auf. Zum Leidwesen natürlich der Linken. Doch just in solchen Niederlagen sieht Grünen-Präsidentin Regula Rytz auch eine Chance. Nun setze die Linke eben vermehrt auf Volksabstimmungen: «Wenn die Mehrheiten weiter ihre ‹Jetzt-ziehen-wir-durch›-Politik machen, können wir zeigen, dass wir für eine vernünftigere Politik stehen.»

Vernünftig sei das Gegenteil, erwidert SVP-Präsident Albert Rösti: Mehr Regulierung verhindern, weniger Gesetze verabschieden: Die Erkenntnis, dass die Regelungsdichte nicht immer grösser werden und man Eigenverantwortung übernehmen solle, habe sich im neuen Parlament offenbar durchgesetzt.

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«Es wäre aber vielleicht etwas gewagt, davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird», räumt Rösti ein. Denn immerhin müsste der neue Bundesrat mit seiner Mehrheit aus SVP- und FDP-Vertretern nun Vorlagen zimmern, die Abstimmungen im Parlament überstehen.

Das Parlament als Gegenspieler zur Bundesverwaltung

Ganz so widerborstig wie bis jetzt wird sich das Parlament in den nächsten Sessionen wohl also nicht mehr zeigen. Doch im langfristigen Trend gehe das Parlament tatsächlich kritischer um mit neuen Gesetzesvorlagen, beobachtet Parlamentsforscher Schwarz.

Dies nicht zuletzt, weil es sich ein Stück weit professionalisiert habe: «Das Parlament kontrolliert den Bundesrat und die Verwaltung mehr – es ist in den letzten vielleicht 20 Jahren zu einem stärkeren Gegenspieler geworden.» Unterm Strich aber produziert das Parlament noch immer viel mehr neue Vorlagen, als es versenkt: Rund 400 Erlasse verabschiedete es in der letzten Legislatur, demgegenüber scheiterten 16 Bundesratsvorlagen.

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