Aussagen in der Eintretensdebatte
Der Nationalrat will im Detail über den Bau eines zweiten Gotthard-Strassentunnels diskutieren. Gut drei Stunden debattierte die grosse Kammer emotional alle Für und Wider des zweiten Tunnels und trat schliesslich mit 109 zu 74 bei 4 Enthaltungen auf die Vorlage ein. Vier Rückweisungsanträge von SP, Grünen und Grünliberalen wurde alle mit 114 (113) gegen 73 (74) Stimmen abgelehnt.
Vertreter dieser drei Fraktionen äusserten sich in der Debatte gegen die Tunnel-Vorlage. Sie kritisierten den Ausbau der Transitkapazität durch den Gotthard-Strassentunnel. Sie glauben nicht an die Zusicherungen des Bundesrats, dass die zwei Tunnels zukünftig nur einspurig befahren würden.
Argumente der Tunnel-Gegner wirkungslos
Für Regula Rytz (Grüne/BE) und Vorstandsmitglied der «Alpenschutz-Initiative» wäre es das dritte Mal nach 1994 (Alpenschutz-Initiative) und 2004 (Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative), dass das Volk direkt oder indirekt über den Bau eines zweiten Tunnels durch den Gotthard befinden würde. Bisher lehnte es solche Bestrebungen immer ab. Die Tunnelsanierung würde dazu missbraucht, die vom Stimmvolk bisher abgelehnte zweite Röhre durchzubringen, begründete Regula Rytz (Grüne/BE) den Nichteintretensantrag.
Edith Graf-Litscher (SP/TG) war der Meinung, sich nichts vorzumachen. Denn auf Druck der EU werde die Schweiz beide Röhren rasch öffnen müssen und damit gegen den Alpenschutz verstossen. Ihre Rückweisungsanträge zum Tunnelbau wurden alle abgelehnt.
Auch Jürg Grossen (GLP/BE) wünschte die Rückweisung, denn «eine Volksabstimmung wird es sowieso geben. Das Referendum ist so gut wie sicher.»
Evi Allemann (SP/BE) sprach die Finanzierung an: «Was am Gotthard verlocht wird, fehlt dort, wo der Verkehrsdruck heute schon immens ist, in den Agglomerationen und Städten, und nicht am Gotthard.»
Roger Nordmann (SP/VD) regte sich nach vielen Rückfragen auf und bemerkt, dass «diese Lawine von Fragen nur dazu dienen soll, eine Abstimmung zu vermeiden, damit eine Volksabstimmung nicht vor den Wahlen stattfindet.
Marina Carobbio (SP/TI) und Vizepräsidentin der Alpenschutz-Initiative betont, dass sich die «Tessiner Bevölkerung bisher immer gegen den Bau einer zweiten Röhre ausgesprochen» hat.
«Mythos Gotthard»
Die Befürworter und auch Verkehrsministerin Doris Leuthard verwiesen in ihren Voten auf die Verfassungsbestimmungen hin, die einen Ausbau der Kapazität am Gotthard verunmöglichten. Ohne Volksabstimmung könne der Betrieb von je zwei Fahrspuren pro Richtung nicht einfach so aufgenommen werden. Der Bundesrat wolle zudem das Betriebsregime mit je einer Fahrspur gesetzlich verankern, sagte die UVEK-Vorsteherin.
Für den Tessiner Fabio Regazzi (CVP) bildet der Gotthard «eine geschichtliches Fundament unseres Landes». Als entsprechend wichtig betont er die Wichtigkeit einer lückenlosen Anbindung des Tessins an die Nordschweiz.
«Es ist Angstmacherei», meinte Martin Landolt (BDP/BE), «wenn unterstellt wird, man versuche in diese Vorlage eine Kapazitätserweiterung hineinzuschmuggeln.» Landolt spricht sich namens der BDP klar für eine zweite Röhre aus, «aus Sicherheitsüberlegungen und aus Solidarität mit dem Kanton Tessin.»
Markus Lehmann (CVP/BS) zeigte sich – als Basler – solidarisch mit der anderen Randregion, dem Tessin. Was gemäss der EVP-CVP-Fraktion gar nicht gehe, sei eine Isolierung «unserer Sonnenstube» während dreier Jahre. «Auch aus sicherheitstechnischen Überlegungen ist eine zweite Röhre ein Muss.»
«Sind die Menschen im Auto Menschen zweiter Klasse?» fragte Ulrich Giezendanner (SVP/AG) den Rat. Er bezog sich bezüglich der Sicherheitsbedenken auf die Tatsache, dass bei vielen Bahntunnels zweite Röhren gebaut wurden.
Referendum bereits angekündigt
Trotz der Zustimmung beider Räte für den zweiten Gotthard-Strassentunnel und der Sanierung des bestehenden, dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein: Die Grünen beschlossen schon im Frühjahr, dagegen das Referendum zu ergreifen. Die Delegierten der Grünliberalen sicherten ihnen Unterstützung zu. Ein Referendum angekündigt haben auch die SP und der Verein Alpen-Initiative.
In einem Communiqué zeigte sich die Alpen-Initiative überzeugt, zusammen mit den anderen Organisationen die 50'000 Unterschriften zusammenzubringen.
Für den Bau eines zweiten Tunnels und die Sanierung des 1980 eröffneten bestehenden Strassentunnels veranschlagt der Bundesrat 2,8 Milliarden Franken. Vorgesehen ist, den zweiten Tunnel ab 2020 in ungefähr sieben Jahren zu bauen. Anschliessend würde – bis ungefähr 2030 – der bestehende Tunnel geschlossen und saniert.