Vor zwei Jahren trugen norwegische Beachhandballerinnen Shorts statt Bikinihosen. Der Verband büsste sie, die Sportlerinnen liefen Sturm – mit Erfolg. Der Verband passte die Kleidervorschriften an.
Das war nur einer von mehreren Errungenschaften gegen sexistische Kleidervorschriften im Frauensport. Ein jüngst erschienener Artikel über Sexismus im Frauenfussball hat bei der SRF-Community die Frage aufgeworfen, warum Frauen im Sport teils immer noch kürzere Hosen tragen? Sportwissenschaftlerin Claudia Koller hat die Antwort.
SRF News: Gibt es noch Sportarten, wo Bekleidungsvorschriften sexistisch sind?
Claudia Koller: Gegenfrage: Was versteht man unter sexistisch? Natürlich gibt es viele Sportarten, wo die Bekleidung bei Männern anders ist als bei Frauen, beim Schwimmen und auch beim Tanzen, wobei es konkret darum geht, die Geschlechterunterschiede zu betonen und die stereotypen Rollen von Männern und Frauen in den Mittelpunkt zu stellen. Aber dann gibt es auch noch Unterschiede, wo es weder Sicherheits- noch funktionelle Gründe geht, sondern darum, das Attraktive – das Feminine und auch das Maskuline – zu betonen.
Halten gewisse Sportverbände aus Gründen der Attraktivität an sexistischen Bekleidungsvorschriften fest?
Mittlerweile steht das Thema schon in vielen Sportarten zur Diskussion. Das ist sehr erfreulich. Jedoch haben Sportlerinnen und Sportler noch immer zu wenig Mitspracherecht, was die Kleidungsvorschriften und die Bekleidung generell betrifft. Das betrifft auch Männer, für die die Vorschriften ebenfalls gelten, im Gegensatz zu Frauen aber weniger von der Sexualisierung ihres Körpers betroffen sind.
Können auch Frauen über die Kleidervorschriften entscheiden?
Kleidervorschriften entstehen oft bei den internationalen Fachverbänden, die männerdominiert sind. Nur wenige Frauen sitzen dort in Entscheidungs- und Führungspositionen. Es ist davon auszugehen, dass ganz viele Kleidungsvorschriften, die Frauen betreffen, von Männern getroffen werden.
Warum tragen Frauen im Volleyball kürzere und engere Hosen als Männer?
Manchmal sind es Vorgaben. Aber wie gesagt: Sie stehen zur Diskussion und werden erfolgreich bekämpft. Man muss aber auch sagen: Es gibt viele Sportlerinnen, die – wenn sie die Wahl haben – trotzdem auf das kurze Kleidungsstück zurückgreifen. Volleyballerinnen sagten mir im Gespräch, die kurzen Hosen seien in vielen Situationen mitunter die angenehmere Arbeitskleidung. Es geht um die Wahlfreiheit.
Das Problem ist nicht die kurze Hose, sondern, dass Frauen sexualisiert werden. Und das darf – egal, was sie anhaben – nicht passieren.
Man sollte aber nicht in die Richtung argumentieren, dass – nur weil Volleyballerinnen enge Hosen tragen – ihre sportlichen Leistungen nicht ernst genommen werden. Dieses Argument wird häufig im Bereich der sexuellen Belästigung gebraucht: Trägt sie einen kurzen Rock, braucht sie sich nicht wundern, sexuell belästigt zu werden. Das Problem ist nicht der kurze Rock, die kurze Hose, sondern, dass Frauen im Sport auf ihr Aussehen reduziert werden, dass sie sexualisiert werden. Und das darf – egal, was sie anhaben – nicht passieren.
Trotz der Erfolge in letzter Zeit: Wenn alle Regularien angepasst sind, ist Sexismus bei der Bekleidung im Frauensport beseitigt?
Jein. Es ist ein Baustein, diese Selbstbestimmung und das Mitspracherecht zu haben. Aber wie gesagt, jetzt löst dann nach wie vor nicht die Medienberichterstattung, die Frauen ganz oft einfach gewollt und bewusst sexualisiert und es löst auch nicht die Widerstände oder die negativen Kommentare, die man auf Social Media oder am Spielfeld kassiert.
Das Gespräch führte Nico Schwab.