Unangebrachte Kommentare über Frauen. Oder Frauen, die man in Sitzungen nicht ausreden lässt oder zum Protokoll schreiben degradiert. Solche Vorfälle im Nachrichtendienst des Bundes haben nun eine interne Arbeitsgruppe bewogen, obligatorische Anti-Sexismus-Kurse zu beantragen. Ein mehrstufiges Lernkonzept und eine klare Haltung der Führungsebenen könnten oft Abhilfe schaffen, sagt die Juristin und Mediatorin Corina Alchenberger.
SRF News: Was können solche Anti-Sexismus-Workshops bewirken?
Corina Alchenberger: Zum einen hoffentlich einen Wissenserwerb, zum anderen eine Sensibilisierung der Angestellten. Mit dem Ziel, eine Haltungs- und Verhaltensänderung herbeizuführen. Ich versuche dabei jeweils, das strukturelle Verhalten im konkreten Fall zu erkennen und zu verstehen, um es mittel- oder langfristig zu verändern.
Was läuft in einem solchen Workshop?
Das hängt davon ab, ob er sich an Mitarbeitende ohne Führungsaufgaben richtet oder ob es ein Training für Führungskräfte ist. Bei den Mitarbeitenden geht es zentral um die Sensibilisierung, was überhaupt eine Belästigung ist. Was ist korrekt, was ist nicht korrekt? Was ist lustig, was ist lästig? Ebenso müssen die Abläufe im Betrieb klar sein. Alle müssen wissen, wo sie sich wehren können und wo sie sicher sind und ernst genommen werden. Die Mitarbeitenden sollen sich ein einheitliches Bild über die Kultur und die Abläufe zum Thema Sexismus im Betrieb machen können.
Wie richten Sie sich an die Führungskräfte beim Thema Sexismus?
Ein Sensibilisierungsworkshop allein für Mitarbeitende bringt tatsächlich nichts, denn Sexismus ist immer auch ein strukturelles Problem. Man ist sich sehr oft dieser abwertenden Haltung gegen das andere Geschlecht gar nicht bewusst. Entsprechend ist der Kampf gegen Sexismus Aufgabe der Arbeitgeberschaft und nicht einfach ein Problem von Konfliktparteien. Darum ist aus meiner Sicht auch die Organisation als solche mit ihren Prozessen und ihrer Kultur massgebend.
Eine Möglichkeit ist die Schulung der Führungskräfte in ihrer Rolle als interventionspflichtige und verantwortliche Personen. Wir schauen mit ihnen an, wie diskriminierendes Verhalten erkannt wird und was bei Beobachtungen und Meldungen getan werden soll.
Was muss ein Unternehmen tun, dass Sexismus nicht Teil der Kultur wird?
Es gibt zum einen die rechtliche Ebene. Hier verpflichtet das Arbeitsrecht ein Unternehmen zur Prävention, damit es gar nicht zu belästigendem Verhalten kommt. Wenn es doch passiert, müssen Abläufe und Zuständigkeiten festgelegt sein. Ein Betrieb muss der gesetzlichen Fürsorgepflicht gerecht werden.
Zum anderen geht es darum, mit den Menschen herauszufinden, welche Kultur sie wollen, wie eine gelingende Zusammenarbeit möglich ist und wie Macht thematisiert werden kann. Es geht dabei auch um die Zugehörigkeit zu einem Team mit Nähe und Distanz. Mit diesen Fragen wird jedes Team unweigerlich konfrontiert. Dazu gehört auch die Frage, wie Fehlverhalten angesprochen wird.
Wie erfolgversprechend sind solche Kurse?
Solche Kurse sollten Teil eines mehrstufigen Lernkonzeptes sein. Sie sollten regelmässig stattfinden – mit einem breiten Mix an Lernmethoden. Dazu braucht es auch strukturelle Anpassungen und eine klare Haltung jeder Führungsebene. Dann sehe ich Chancen.
Das Gespräch führte Nina Gygax.