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Solothurner Ausgleichskasse Zu viele hängige Gesuche – ganzer Verwaltungsrat tritt zurück

  • Die Solothurner Ausgleichskasse hat seit Freitag keinen Verwaltungsratspräsidenten mehr.
  • Am Samstag nun sei auch der übrige Verwaltungsrat zurückgetreten, teilt der Kanton Solothurn mit.
  • Der Geschäftsleiter ist bis auf Weiteres krankgeschrieben, sein Stellvertreter hat gekündigt.
  • Ein Scherbenhaufen, der Menschen trifft, die auf Geld der Ausgleichskasse angewiesen sind.

Es ist selten, dass ein staatsnaher Betrieb mit einem solchen Exodus umgehen muss. Per Ende Jahr steht die Ausgleichskasse völlig ohne Verwaltungsrat da, im Frühling schliesslich auch ohne Geschäftsleitung. Vize-Präsident Peter Brügger leitet den Verwaltungsrat ad interim noch bis Ende Jahr.

Die Ausgleichskasse zahlt zum Beispiel die Ergänzungsleistungen aus. Das sind Gelder für Bürgerinnen und Bürger, die von der AHV oder der IV alleine nicht leben können. Ende August waren im Kanton Solothurn hunderte dieser Gesuche über 90 Tage alt. Dies ist die gesetzlich zulässige Frist, bis Gesuche behandelt werden müssen. Eine schwierige Situation für alle Beteiligten.

Hohe Pendezenberge

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Frau mit Brille, verdeckt Gesicht
Legende: Gerade finanziell schwache Menschen, die von der AHV allein nicht leben können, sind auf Gelder der Ausgleichskasse angewiesen. Keystone/Christoph Schuerpf
  • Die Solothurner Ausgleichskasse hat seit Jahren Mühe, alle Anträge auf Ergänzungsleistungen zu bearbeiten.
  • Es wurden Massnahmen eingeleitet, die aber gemäss Kanton zu wenig gegriffen haben.
  • Menschen, die allein mit der AHV nicht über die Runden kommen, müssen monatelang auf die Auszahlungen warten.
  • Gemäss der Solothurner Zeitungen waren Ende August 450 Gesuche älter als 90 Tage. Das ist fast die Hälfte aller Anträge.
  • Das Gesetz schreibt vor, dass die Bearbeitung eines Antrags nicht länger als 90 Tage dauern darf.

«Die von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung eingeleiteten Massnahmen zum Abbau der aktuellen Pendenzen griffen zu wenig, sodass gesetzliche Vorgaben teilweise nicht mehr eingehalten werden konnten», schreibt der Kanton Solothurn in seiner Mitteilung vom Mittwoch.

Der Kanton sei dabei, ein Krisenmanagement zu installieren und dafür ein externes Mandat zu vergeben. Die Weiterführung des operativen Betriebs sei gewährleistet. Eine Task Force aus Mitgliedern des Kantons, der Gemeinden und der Ausgleichskasse überprüft die Prozesse und Zusammenarbeit mit den AHV-Stellen. Diese Task Force werde regelmässig über den Geschäftsgang informiert.

Verantwortliche sagen nichts

Die zuständige Regierungsrätin Brigit Wyss (Grüne) und auch Vertreter des Verwaltungsrats wollen sich gegenüber SRF nicht zu den Vorfällen äussern. Es ist also nicht klar, ob die Regierungsrätin bei der Ausgleichskasse Druck aufgesetzt hat oder sie über die Rücktritte der Verwaltungsräte überrascht ist.

Demonstration
Legende: Im Mai 2023 demonstrieren einige Menschen gegen die aktuelle Situation bei der Ausgleichskasse und fordern den Rücktritt des Verwaltungsrats. SRF / Marco Jaggi

Die Ausgleichskasse war bereits mehrfach Thema im Solothurner Kantonsparlament. Ein Volksauftrag, der die Absetzung des nun zurückgetretenen Verwaltungsrats forderte, wurde im Frühling allerdings für ungültig erklärt, was bei den Initianten zu Missmut führte.

Rücktritte erstaunen, werden aber auch begrüsst

SVP-Kantonsrat Rémy Wyssmann, der mehrfach auf die Missstände hinwies, begrüsst den Kollektivrücktritt: «Der Verwaltungsrat hat seine eigene Unfähigkeit akzeptiert und übernimmt die Verantwortung. Ein Neuanfang in dieser Situation macht Sinn.»

Gleichzeitig nimmt der SVP-Politiker die Grüne Regierungsrätin Brigit Wyss in die Pflicht und fordert aufgrund des Schlamassels ihren Rücktritt.

Auch von der SP ist ein Vorstoss im Kantonsparlament zur Ausgleichskasse hängig. Co-Präsident Hardy Jäggi zeigt sich in einer Mitteilung erstaunt vom Rücktritt der Verwaltungsräte und Verwaltungsrätinnen.

Dies mache den Anschein, dass sich der Verwaltungsrat aus der Verantwortung stehlen werde, anstatt zu helfen, Missstände zu beheben.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 20.09.2023, 17:30 Uhr ; 

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