Zum Inhalt springen

Sondersession Statt Pendenzen abzutragen, schafft der Nationalrat mehr Arbeit

Das erklärte Ziel einer Sondersession: anstehende Geschäfte abtragen. Doch das gelingt nur mässig, wie Zahlen zeigen.

Seit 2009 hat der Nationalrat fast jedes Jahr eine Sondersession durchgeführt, um die vielen Geschäfte abzutragen. Dazu ist die grosse Kammer rechtlich verpflichtet. Das Ziel an der diesjährigen Sondersession, die bis Mittwoch dauert: möglichst viele Vorstösse abzuarbeiten.

Die Sondersessionen würden ihren Zweck aber nur teilweise erfüllen, beobachtet Politologe Adrian Vatter: «Diese Sondersessionen führen dazu, dass mehr Vorstösse eingereicht werden, als während dieser Zeit abgetragen werden», sagt Vatter, «am Schluss haben wir noch mehr Vorstösse.»

Steigende Geschäftslast

Die Arbeitslast für das Parlament hat seit 1999 stark zugenommen. Besonders angestiegen sind die eingereichten Fragen und Interpellationen, also das Verlangen von Auskünften beim Bundesrat. 

Es liege in der Verantwortung jedes einzelnen Mitglieds des Parlaments, zu entscheiden, ob ein Vorstoss wichtig sei, meint Eric Nussbaumer (SP/BL), Präsident des Nationalrates. Aber er verteidigt die Arbeit des Parlaments auch: «Wir machen die Gesetzgebung. Wir entscheiden auch über Aufträge an den Bundesrat, das sind eben die Instrumente der Vorstösse.»

Politologe ortet Reformbedarf

Für Politologe Adrian Vatter sind dennoch Reformen angezeigt. Man müsse sich generell Gedanken machen, ob der Rhythmus mit vier dreiwöchigen Sessionen pro Jahr und einer Sondersession noch zeitgemäss sei. «Man könnte sich wöchentlich, nur abends, treffen», schlägt Vatter vor. «So kennen es auch die kommunalen und kantonalen Parlamente».

Bisher scheiterten allerdings Vorstösse, den Parlamentsbetrieb anders zu organisieren. Maja Riniker, FDP-Nationalrätin aus dem Aargau und Vizepräsidentin des Nationalrats, appelliert an die Eigenverantwortung der Ratsmitglieder. Ein Vorstoss habe nur Erfolg, wenn man die Mehrheit hinter sich habe. «Insofern könnte man sich schon überlegen, ob man eine gewisse Erfolgschance hat». Jeder Vorstoss verursache auch viel Arbeit in der Verwaltung.

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sieht es ähnlich. «Es ist auch eine Frage der politischen Reife», meint Aeschi, «je länger jemand im Parlament ist, umso weniger werden persönliche Vorstösse eingereicht.»

Ständerat deutlich effizienter

Während der Nationalrat nun drei Tage lang versucht, die Geschäftslast zu reduzieren, bleibt der Ständeratssaal leer. Seit 2009 hat die kleine Kammer keine Sondersession mehr durchgeführt. Und reguläre Ständeratssitzungen in den normalen Sessionen enden nicht selten sogar etwas früher als geplant.

Der Hauptgrund: Viermal weniger Ratsmitglieder verursachen deutlich weniger Redezeit – und auch deutlich weniger Vorstösse.

Tagesschau, 15.04.2023, 19.30 Uhr

Meistgelesene Artikel