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Sozialhilfe in der Kritik Dübendorfer Missstände sind schlimmer als erwartet

Schikane, fehlende Transparenz, Vertrauensverlust – die Vorwürfe an die Sozialhilfe Dübendorf haben sich erhärtet.

Es war bekannt, dass es Missstände bei der Sozialhilfe Dübendorf (ZH) gab. Dass es jedoch derart gravierende Missstände waren, überrascht. So lässt sich die Mitteilung der vom Gemeinderat Dübendorf eingesetzten Spezialkommission interpretieren. Die sechs Mitglieder schreiben von Betroffenheit angesichts des Ausmasses von «systematischen Verfehlungen», die auf verschiedenen Ebenen festgestellt wurden.

Administrativuntersuchung

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Angefertigt wurde der aufwändige Bericht unter der Leitung des Rechtsanwalts Tomas Poledna, beauftragt von der Spezialkommission des Gemeinderats Dübendorf. Die Spezialkommission wurde eingesetzt aufgrund wiederholter Vorwürfe an die Adresse der Dübendorfer Sozialhilfe. Sie besteht aus je einem Mitglied der Fraktionen im Gemeinderat.

Nun müsse gehandelt werden – die Sozialbehörde müsse professionalisiert werden. Die eingesetzte Spezialkommission hat die Ergebnisse ihrer Untersuchung am Montagabend im Stadtparlament vorgestellt.

Strukturelle und rechtliche Mängel

Der abschliessende Bericht zeigt auf, dass es bei der Sozialhilfe strukturelle Mängel gegeben hat. Zudem hätten diverse Sicherungs- und Kontrollmechanismen nicht gegriffen. Demnach kam es zu «erheblichem Führungsversagen auf verschiedenen Ebenen».

So habe zum Beispiel teilweise eine misstrauische Haltung gegenüber Sozialhilfebezügerinnen und Sozialhilfebezügern geherrscht. Dies habe unter anderem zu einem Vertrauensverlust in die Behörde geführt, was eine korrekte Ausführung der Sozialhilfeaufgaben behinderte.

Ebenso wurden rechtliche Vorgaben verletzt. Rechtsprofessor Tomas Poledna bemängelt etwa, dass auf dem 18-seitigen Anmeldeformular auch eine Einverständniserklärung für Hausbesuche unterzeichnet werden musste. Derartige Besuche benötigen aber eine gesetzliche Grundlage.

Missstände schon länger bekannt

Die Missstände bei den Sozialbehörden in Dübendorf waren seit längerem publik. Ab 2016 wurde immer wieder berichtet, dass Klientinnen und Klienten ausländischer Herkunft systematisch unkorrekt behandelt würden.

Der «Tages-Anzeiger» berichtete mehrere Male über die Zustände bei der Sozialhilfe Dübendorf. Einzelne Sozialhilfebezügerinnen sollen hinter deren Rücken als «fette Schlampe» und – im Falle einer Burka-Trägerin – als «Pinguin» bezeichnet worden sein. Im Herbst 2020 seien Sozialhilfebezüger exzessiv überwacht und abfällig behandelt worden. Zudem seien Gespräche heimlich aufgezeichnet worden, so der damalige Vorwurf.

Die Stadt Dübendorf richtete eine Ombudsstelle ein, nachdem Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger Kritik an den Behörden geübt hatten, weil sie sich generell wie «Schmarotzer» behandelt fühlten.

Jacqueline Hofer nimmt Stellung

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Die angeschuldigte SVP-Stadträtin Jacqueline Hofer nahm am Montagabend auf ihrer Webseite Stellung zum Bericht.

Sie unterstütze die Aufarbeitung der festgestellten Verfehlungen, verwahre sich jedoch «gegen vorschnelle pauschale Schuldzuweisungen». Sie verlangt eine differenzierte Überprüfung der einzelnen Vorgänge und verweist dabei auf die geteilte Organisationsstruktur, die «eine wesentliche Ursache für die Probleme» sei.

Zudem sei sie nicht bereit, die «Verantwortung für Vorgänge zu übernehmen», die vor ihrer Amtszeit geschehen seien oder gar nicht in ihre Zuständigkeit fielen.

Im Herbst 2021 entzog die Stadt Dübendorf der Sozialvorsteherin Jacqueline Hofer von der SVP das Dossier, bis zum Ende der Untersuchung. An der 2018 gewählten Vorsteherin übt Poledna im Bericht massive Kritik. Die Lücken hinsichtlich ihrer Sachkenntnis seien zu gravierend: «Als Sofortmassnahme empfehle ich eine vertiefende Fachschulung für die Sozialvorsteherin im Bereich des kommunalen und des Sozialhilferechts sowie in der Personalführung.»

Nun soll gehandelt werden

Die Spezialkommission hat nach dem Bericht nun diverse Vorschläge ausgearbeitet, mit denen die Exekutivbehörden solche Verfehlungen vermeiden können. So etwa sollen künftige Behördenmitglieder besser eingearbeitet werden, die Wohnsituation der Bezüger soll, wo notwendig, verbessert werden. Ebenso sollen die finanziellen Aspekte transparenter verwaltet werden.

Mit dem Untersuchungsbericht ist jetzt lediglich der erste Schritt getan. In Zukunft müssten die Behörden transparent über die empfohlenen Umsetzungsvorschläge berichten. Das Ziel sei es, eine «optimal funktionierende Abteilung Sozialhilfe» aufzubauen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 25.01.2022, 06:31 Uhr ; 

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