Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Spanische Grippe und Covid-19 Die auffälligen Parallelen zwischen den Pandemien

  • Zögerliches Handeln, zu frühe Lockerungen und ignorierte Einschränkungen: Die Muster bei der Bewältigung der Spanischen Grippe haben frappierende Ähnlichkeiten mit derjenigen der Corona-Pandemie.
  • Dies zeigt ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universitäten Zürich und Toronto, das die Spanische Grippe von 1918 und 1919 im Kanton Bern mit der Coronavirus-Pandemie 2020 vergleicht.

Video
Aus dem Archiv: Die Spanische Grippe – Der unsichtbare Gegner
Aus SRF school vom 24.11.2020.
abspielen. Laufzeit 48 Minuten 16 Sekunden.

In den Jahren 1918 und 1919 wütete die spanische Grippe weltweit und tötete in der Schweiz gemäss historischen Quellen 24’447 Menschen. Besonders die lange andauernde zweite Welle forderte viele Opfer.

«Es ist beeindruckend, wie sich beim Vorgehen der Regierung und der Behörden während den Pandemien 1918 und 2020 immer grössere Ähnlichkeiten abzeichnen», sagte der Historiker Kaspar Staub von der Universität Zürich.

Zu frühe Aufhebung der Einschränkungen

Für seine Studie zeichnete das schweizerisch-kanadische Forscherteam das Geschehen im Kanton Bern während der Spanischen Grippe nach, wo das aggressive Virus besonders stark wütete.

Es ist beeindruckend, wie sich beim Vorgehen der Regierung und der Behörden während den Pandemien 1918 und 2020 immer grössere Ähnlichkeiten abzeichnen.
Autor: Kaspar Staub Historiker Universität Zürich

Zu Beginn der ersten Welle reagierte der Kanton Bern rasch und zentral. Er schränkte Versammlungen ein, schloss Theater, Kinos sowie Schulen und verbot Chorproben (Läden und Fabriken blieben offen). Die Ansteckungen gingen zurück, worauf sämtliche Einschränkungen wieder aufgehoben wurden. Viel zu früh, wie sich bald zeigte: Die viel schlimmere Herbstwelle rollte an.

Audio
Die Spanische Grippe – schlimmste Seuche des letzten Jahrhunderts
aus Zeitblende vom 04.04.2020. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 24 Minuten 26 Sekunden.

Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen

Das Fatale gemäss der Studie: Der Kanton reagierte zu Beginn der zweiten Welle zögerlich und legte die Verantwortung den einzelnen Gemeinden in die Hände. Diese griffen teilweise weit weniger hart durch als der Kanton während der ersten Welle.

«Dieses dezentrale Reagieren aus Angst vor erneuten Einschränkungen und ihren wirtschaftlichen Konsequenzen hat aber nicht funktioniert», sagte Staub. Erst einige Wochen später erliess die kantonale Regierung wieder strengere und zentrale Massnahmen – die Pandemie klang etwas ab.

Lang andauernde zweite Welle

Doch die zweite Grippewelle hielt die Bevölkerung weiterhin fest im Griff. So kam es im November 1918 bei immer noch hohen Fallzahlen zu Konflikten zwischen Regierung und Arbeiterschaft, die im sogenannten Landesstreik und in Massenansammlungen mündeten. Besonders auch Truppenzusammenzüge in die zentralen Ortschaften trieben die Übertragungen wieder in die Höhe.

«Wir sehen, dass diese Geschehnisse mit einem deutlichen Wiederanstieg der Fallzahlen assoziiert waren und die zweite Welle damit umso länger dauerte», sagte Staub. Eine ähnliche Entwicklung der Ansteckungen befürchte man nun wegen der Coronavirus-Mutationen.

Ein Ende kommt bestimmt

Die Studie zeige, dass die Schweiz aus ihrer Geschichte hätte lernen können, sagte der Mitautor und Berner Epidemiologe Peter Jüni von der kanadischen Universität Toronto.

«Aus meiner Aussenperspektive ist es schwer nachvollziehbar, dass in einem wohlorganisierten, hoch entwickelten und privilegierten Land wie der Schweiz jeder tausendste Mensch an Covid-19 verstorben und jeder dreihundertste hospitalisiert worden ist.» Der Bundesrat habe im Schweizer Konkordanz-System in dieser Krisensituation leider viel zu zögerlich gehandelt.

Aus meiner Aussenperspektive ist es schwer nachvollziehbar, dass in einem wohlorganisierten, hochentwickelten und privilegierten Land wie der Schweiz jeder tausendste Mensch an Covid-19 verstorben und jeder dreihundertste hospitalisiert worden ist.
Autor: Peter Jüni Epidemiologe

Der historische Blick offenbart aber auch Hoffnungsvolles: Im Frühjahr 1919 bäumte sich die Spanische Grippe zwar nochmals zu einer relativen milden, dritten Welle auf, danach verschwand sie. «Die akuten Phasen von Pandemien gehen irgendwann einmal auch wieder vorüber», sagte Staub.

Tagesschau, 5.2.2021, 19.30 Uhr;

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel