Rund 300'000 Sozialberatungen leistet die Pro Infirmis pro Jahr schweizweit. Tendenz steigend, sagt die Leiterin von Pro Infirmis im Kanton Zürich, Beatrice Schwaiger. Trotzdem kommt es jetzt zu einem Leistungsabbau, denn es fehlt am nötigen Geld.
Jährlich benötigt die Pro Infirmis über 100 Millionen Franken. Gut die Hälfte davon übernimmt der Bund. Verträge gibt es auch mit Kantonen und Gemeinden. Ein grosser Teil wird durch Spenden gedeckt.
Wir sind an einem Punkt, an dem wir das nicht mehr ausgleichen können.
Die Kosten würden durch die Leistungen des Bundes bei weitem nicht abgedeckt, Pro Infirmis müsse von Spenden und seiner Substanz leben. Das gehe so nicht weiter, so Schwaiger: «Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir das nicht mehr ausgleichen können.»
In Kantonen wie Aargau, Zug, Uri und Schwyz sowie der Westschweiz müsse deshalb das Beratungsangebot zurückgefahren werden. Insgesamt rechnet Schwaiger mit 12'000 Stunden weniger, die angeboten werden können. «Es klingt nicht nach so viel, aber es wird einige Klienten treffen, die bei uns keine kostenlose Beratung mehr erhalten werden.»
Die Wohnungssuche wird schwieriger
Im Kanton Zürich wird die Pro Infirmis als Folge des Spardrucks bestimmte Beratungen nicht mehr anbieten. Zum Beispiel, wenn es um die Wohnungssuche geht. Bis jetzt hat die Pro Infirmis unter anderem geholfen, Dossiers für Wohnungsbewerbungen zusammenzustellen. Das sei nun nicht mehr möglich, sagt Schwaiger.
Gerade im Kanton Zürich mit seiner Wohnungsknappheit könne das Konsequenzen haben: «Das kann heissen, dass jemand noch weniger Chancen auf eine günstige Wohnung hat.» Weil es Betroffene selbständig vielleicht nicht schaffen, die Bewerbung so einzureichen, dass sie Chancen haben.
Die Schuld für den Leistungsabbau sieht die Pro Infirmis beim Bund, genauer beim Bundesamt für Sozialversicherungen. Dieses habe die Leistungen auf dem Stand von 2012 eingefroren. Verhandlungen für die aktuelle Leistungsperiode 2024 bis 2027 seien erfolglos gewesen: «Es ist uns leider nicht gelungen, so wie allen anderen Leistungsnehmern auch nicht.»
Man versuche, für die nächste Verhandlungsrunde per 2028 Druck aufzubauen. Bis dahin hofft die Pro Infirmis, ohne weiteren Abbau über die Runden zu kommen. Unter anderem soll die Digitalisierung helfen, effizienter zu werden und Kosten zu sparen.
Finanzielle Schieflage: Wer trägt die Verantwortung?
Tatsache ist, dass die Pro Infirmis finanziell schwierige Jahre hinter sich hat. 2022 betrug das Defizit über 18 Millionen Franken. In ihrem Jahresbericht räumt die Pro Infirmis ein, dass das Defizit auch mit der «negativen Entwicklung an den Finanzmärkten» zusammenhängt.
Hätte man sorgfältiger investieren müssen? Nein, findet Roland Thomann, Bereichsleiter Kommunikation und Mitglied der Geschäftsleitung von Pro Infirmis. «Wir fahren eine vorsichtige Investitionsstrategie, vergleichbar mit Pensionskassen.» Als sich die Ereignisse mit dem Krieg in der Ukraine überschlagen hätten, habe der Vorstand anlässlich einer regulären Überprüfung beschlossen, an der bisherigen Strategie festzuhalten. Nach bestem Wissen und Gewissen.
Wie sich die Zahlen der Pro Infirmis 2023 entwickelt haben, ist noch offen. Der entsprechende Jahresbericht erscheint im Juni 2024.