Die Schlagzeilen gingen bis über die Landesgrenzen hinaus: Am 14. August 2012, am Sonntag vor zehn Jahren, fanden Innerrhoder Polizisten die Leiche eines 80-jährigen Mannes, in einem abgelegenen Waldstück nahe Brülisau in einer vermeintlich kleinen Hütte. Die Behausung stellte sich allerdings als dreistöckiger Bunker heraus, tief in den Boden gegraben, so gross wie ein Einfamilienhaus. Von aussen kaum zu sehen, rundherum mit Stacheldraht und Schiesswarnungen abgeschottet, fanden die Polizisten dort auch rund 100 Kilogramm Sprengstoff, Waffen und Munition.
Der Mann lebte fast 40 Jahre dort und baute den Bunker selbständig. Im Dorf war «Gossauerli-Sepp», wie der Selbstversorger auch genannt wurde, bekannt. Er habe oft in einem Restaurant Zmittag gegessen und soziale Kontakte gehabt, sagt Roland Koster, damals wie heute Mediensprecher der Innerrhoder Kantonspolizei. Er fand vor 10 Jahren auch die Leiche des Mannes.
Seine Erinnerungen an den Fund: «Ich hatte Nachtdienst, als die Meldung kam, dass sich ‹Gossauerli› lange nicht mehr habe blicken lassen. Wir rückten aus. Als wir ein Fenster öffneten, kam uns bereits Verwesungsgeruch entgegen. Drinnen stiess ich dann auf den Leichnam.» Er leitete die polizeilichen Untersuchungen ein.
Einzelgänger, aber kein Einsiedler
Als Mediensprecher bekam Koster das grosse Interesse mit. «Es gab über den Mann auch despektierliche Titulierungen», sagt der Polizist. Für die Innerrhoder sei er schlicht «s'Gossauerli» oder «Diesel-Sepp» gewesen – nie ein Einsiedler, er wurde auch nie Waldmensch genannt.
Ein Tüftler war er, ein fleissiger Handwerker. «Er flickte auch noch als 80-Jähriger für diverse Firmen die Kaffeemaschinen. Er hatte handwerkliches Geschick wie kaum ein anderer», sagt Koster.
Behörden liessen ihn gewähren
Besucht hat den Mann nie jemand. Auch die Behörden nicht. Im Wald wohnen darf man gemäss Gesetz eigentlich nicht, dabei wird Eigentumsrecht verletzt. Die Bevölkerung und die Behörden wussten vom Fall, trotzdem liess man «Diesel-Sepp» gewähren. Mit der Aufarbeitung illegaler Bauten im Wald habe man damals gerade begonnen. «Irgendwann wäre auch die Behausung des ‹Gossauerli› dran gewesen», so Koster weiter.
Doch was passiert wäre, wenn man behördlich gegen den Mann vorgegangen wäre, bleibt offen. Immerhin fand die Polizei auch Sprengstoff und Waffen. Koster sagt dazu: «Er war polizeilich ein unbescholtenes Blatt. Im Dorf erzählte man sich: Wenn man den ‹Gossauerli› hätte holen müssen, hätte es einen Knall gegeben, den man bis St. Gallen gehört hätte. Das erfuhr ich im Nachhinein von einer Person aus Brülisau.»
Kanton brauchte Hilfe von der Armee
Geräumt ist der Bunker im Brülisauer Wald seit Jahren. Auch, weil der Sohn von «Diesel-Sepp» nach dessen Tod das Erbe ausschlug. Die Arbeiten überstiegen aber die Ressourcen des Kantons Appenzell Innerrhoden, weshalb die Schweizer Armee zu Hilfe kam. Es wurde extra eine Zufahrtsstrasse gebaut, um die Tonnen an Bauschutt und Abfall wegzutransportieren. Bäume mussten gefällt werden.
Nach knapp zwei Jahren war der Rückbau fertig. Die Natur hat sich mittlerweile alles zurückgeholt, was einmal eine Behausung war. Heute ist im Wald nichts mehr zu sehen. Der spektakuläre Fall wird trotzdem in Erinnerung bleiben.