Das Gebirge oberhalb von Grindelwald ist frühmorgens noch wolkenverhangen, das nasse Gras glitzert, irgendwo pfeifen Murmeltiere. Im Gras kauert Naturfotograf Peter Füllemann, die Kamera im Anschlag. Die Einheimischen kennen den Fotografen unter dem Namen «Speedy». Fast täglich ist er draussen in der Natur, immer auf der Suche nach besonderen Bewohnern der Alpen.
«Die Natur ist kein Wunschprogramm. Man muss das Momentum ergreifen und vor allem draussen sein. Zu Hause am Schreibtisch passiert nichts», sagt er.
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Bild 1 von 3. «Speedy» Füllemann ist fast täglich mit seiner Kamera in der Natur. Bildquelle: zvg.
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Bild 2 von 3. Die Natur ist kein Wunschprogramm, sagt Speedy. Bildquelle: zvg.
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Bild 3 von 3. 2023 hat er zum ersten Mal ein Albino-Murmeltier fotografiert. Bildquelle: zvg.
Im Jahr 2023 kam «Speedy» Füllemann zum ersten Mal ein Albino-Murmeltier vor die Linse. Zwei Sommer lang hat er «Albi» begleitet. Auch dieses Jahr hoffte er auf ein Wiedersehen.
Albino-Murmeltiere – eine seltene Sensation
Albinos sind in freier Wildbahn extrem selten. Das Jagdinspektorat des Kantons Bern erklärt: Weisse Tiere tauchen zwar immer wieder mal auf, aber die Beobachtung eines Albino-Murmeltieres erfordert viel Geduld. Oft fehlen die Zeit und die Ressourcen, um ein solches Tier zu dokumentieren.
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Bild 1 von 5. Speedy hat das Albino-Murmeltier zwei Jahre lang begleitet. Bildquelle: Speedy Füllemann.
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Bild 2 von 5. Im Winter ist «Albi» nur schwer zu sehen. Bildquelle: Speedy Füllemann.
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Bild 3 von 5. Klassisch für Albino-Tiere sind die roten Augen. Bildquelle: Speedy Füllemann.
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Bild 4 von 5. Grund für das weisse Fell und die roten Augen ist ein Gendefekt. Bildquelle: Speedy Füllemann.
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Bild 5 von 5. Dieses Jahr hat Speedy erneut einen Albino-Mungg gesehen: ein Jungtier. Bildquelle: Speedy Füllemann.
Speedy Füllemann jedoch ist dieses Jahr zum dritten Mal in Folge ein Albino vor die Linse gekommen. Zu seinem Erstaunen handelt es sich bei der Entdeckung heuer um ein neues Tier – ein Jungtier. «Natürlich war das eine Überraschung. Ich dachte erst, ‹Albi› sei zurück. Ein Jungtier zu treffen, war aber mindestens genauso besonders.»
Wie werden Murmeltiere plötzlich weiss?
Dass das Jungtier in Grindelwald Gene von «Albi» geerbt hat, sei nicht ausgeschlossen, sagt Biologe Andreas Moser: «Weisslinge kommen quer durchs Tierreich vor und entstehen durch einen Gendefekt. Die Farbzellen produzieren dann keinen Farbstoff.»
Dass in der Region aktuell vermehrt weisse Tiere auftauchen, hält der Biologe aber für unwahrscheinlich. Sie hätten zu viele natürliche Feinde.
In der Schweiz wurden mehrere Albinos zuletzt in den 1950er-Jahren im Aostatal beobachtet. Damals zählte man zwei Familien mit sechs bis sieben Tieren.
Albinos haben es in der Natur nicht leicht. Durch ihr helles Fell sind die im Sommer aktiven Tiere ein einfaches Ziel für Adler oder Füchse. Die Überlebenschancen werden deshalb als eher gering eingeschätzt.
Haben Albinos in Zukunft eine bessere Überlebenschance?
Mit dem Klimawandel stellt sich die Frage, ob die weisse Farbe trotz höherer Gefahr durch Fressfeinde auch Vorteile bringen könnte. Murmeltiere heizen sich bei Wärme schnell auf und verbringen deshalb im Sommer viel Zeit im kühlen Bau – Zeit, die für das Anlegen von Fettreserven fehlt.
«Weisse Murmeltiere heizen sich weniger auf und können länger Nahrung suchen», erklärt Moser. Das könnte ihnen helfen, besser für den Winterschlaf vorzusorgen.