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Spionage an Universitäten «Das grösste Problem ist das fehlende Bewusstein»

Verschiedene Schweizer Medien berichten gestützt auf Hinweise des Schweizer Nachrichtendienstes NDB von Spionagevorfällen an Schweizer Universitäten. Ausländische Geheimdienste sollen demnach versuchen, über den Kontakt zu Studierenden und Forschenden an sensible Informationen zu gelangen. Der NDB hat darum anfangs Jahr eine Sensibilisierungs-Broschüre herausgebracht.

SRF hat mit dem deutschen Geheimdienstexperten Dr. Christopher Nehring über diese Gefahr an Universitäten gesprochen.

Christopher Nehring

Dozent an der Universität Potsdam

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Dr. Christopher Nehring ist Geheimdienstexperte und Gastdozent des Medienprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Schwerpunkt Desinformation, Geheimdienste und Medien. Zuletzt hat er ein Buch über Geheimdienstmorde veröffentlicht.

SRF News: Studierende und Forschende sind laut NDB gern gesehene Ziele ausländischer Nachrichtendienste. Kann man das Ausmass dieser Infiltration beziffern?

Christopher Nehring: Nein, das ist nicht seriös zu beziffern. Das generelle Problem bei der Spionage ist eben gerade, dass man nicht weiss, mit wie vielen Fällen man es zu tun hat. Zudem erfolgen die Bemühungen von Nachrichtendiensten oft über eine längere Zeit, sodass eine eindeutige Zählung schwierig ist.

Von Studentinnen und Studenten geht keine Gefahr aus.

Der NDB spricht in seiner Warnung an die Universitäten vor allem von chinesischen Bemühungen. Jetzt im Ukrainekrieg ist sicher auch Russland aktiv – gibt es noch andere Länder?

Es gibt an den Universitäten auch nachrichtendienstliche Aktivitäten von Staaten, die ihre Emigranten und Diaspora auch im Ausland politisch überwachen. Wie zum Beispiel der Iran, aber auch die Türkei und selbst Indien.

Gibt es spezifische Fachrichtungen innerhalb der Naturwissenschaften, die für diese Nachrichtendienste besonders attraktiv sind?

Von Interesse ist eigentlich alles, was militärischen Nutzen hat. Und das muss oft nicht direkt passieren, sondern geschieht auch über Umwege. Generell kann man sagen, es sind sicher die Biochemie, Ingenieurswissenschaften und andere Naturwissenschaften, wobei es oft auch um Kooperationen zwischen hiesigen und ausländischen Instituten geht, die dann nachrichtendienstlich genutzt werden.

Das grösste Problem ist, dass die Aktionen unerkannt bleiben.

Gehen diese Aktionen immer von den Nachrichtendiensten selbst aus, oder müssen sich Studierende auch vor chinesischen oder russischen Kommilitonen in Acht nehmen?

Von Studierenden geht keine Gefahr aus. Die auf dieser wissenschaftlichen Stufe gewonnenen Ergebnisse sind für Geheimdienste kaum interessant. Auf studentischer Basis geht es diesen Spionagediensten eher darum, langfristige Perspektiven für eine spätere Nutzung zu schaffen. Zum Beispiel mit einem Gastaufenthalt in China, bei dem dann ausgelotet wird, ob die Person für spätere nachrichtendienstliche Belange verwertbar ist.

Was ist das grösste Problem bei der Abwehr solcher Versuche?

Wahrscheinlich, dass sie unerkannt bleiben. In der Öffentlichkeit fehlt die Erfahrung, dass eine harmlose LinkedIn-Anfrage eines chinesischen Fachmagazins bereits eine erste Anbahnungsaktion sein kann. Oft passiert es auch, dass Forschende zu spät aufwachen, erst, nachdem sie bereits bereitwillig Hand geboten haben. Einfach, weil sie es sich nicht gewohnt sind. Das Bewusstsein um diese Gefahren fehlt, das ist das grösste Problem.

Was können Studierende, Forscherinnen und Forscher tun, um die Sicherheit zu erhöhen, was die Universitäten selbst?

Sie können dieses Bewusstsein entwickeln, indem die Unis das Wissen um diese Methoden übernehmen und in ihre Abläufe integrieren. Dazu gehört sicher, seine IT gut zu schützen. Aber auch das Verständnis, dafür, wie moderne Geheimdienste arbeiten. Die Bildungsinstitutionen müssen auch ein Bewusstsein schaffen für China und Russland selbst. Wir müssen verstehen, dass das keine liberalen Demokratien sind. Geheimdienstliche Arbeit hat da einen ganz anderen Stellenwert als in Europa. Und letztlich sollten wir an den Universitäten wissen, an wen man sich bei einem vermuteten Angriff wenden kann, und wie man sich verhalten muss.

Das Gespräch führte Michael Fröhlich.

SRF News, 14.02.2023, 20:00 Uhr ; 

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