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Spontankäufe auf der Kilbi Weshalb wir auf dem Jahrmarkt unnütze Sachen kaufen

Der Wirtschaftspsychologe Marcel Zbinden zur besonderen Stimmung und der Kauflust auf Jahrmärkten.

Eine neue Handyhülle, ein Gewürz oder eine Duftkerze: Auf dem Jahrmarkt werden spontan Dinge gekauft, ohne dass vorher die Absicht bestand, diese Sachen zu kaufen. Das hat mit der besonderen Stimmung und der kurzen Dauer der Märkte zu tun, sagt Wirtschaftspsychologe Marcel Zbinden.

Marcel Zbinden

Wirtschaftspsychologe

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Marcel Zbinden ist Dozent für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Luzern. Seine Forschungsschwerpunkte liegen bei der Konsumentenpsychologie und nachhaltigem Konsumverhalten.


SRF: Weshalb kaufen wir auf dem Jahrmarkt manchmal Dinge, die wir gar nicht brauchen?

Marcel Zbinden: Auf dem Jahrmarkt spielen zwei Faktoren eine Rolle. Erstens die Stimmung. Man denke an die funkelnden Kinderaugen, die feinen Düfte und an die vielen Lichter. All das versetzt einen in eine Stimmung, die etwas an Weihnachten erinnert. Auf der anderen Seite fühlt es sich auch an wie Mini-Ferien, eine Flucht aus dem Alltag. Und in solchen Situationen – das wissen wir alle – sitzt der Geldbeutel auch mal lockerer und man ist eher offen für Spontankäufe.

Nahaufnahme farbige Schleckstengel
Legende: Die Stimmung an einem Jahrmarkt ist speziell und versetzt uns vielleicht auch etwas zurück in die Kindheit. SRF / Annina Mathis

Der zweite Faktor ist die begrenzte Zeit. Ein Markt ist nicht das ganze Jahr verfügbar. Damit bietet ein Jahrmarkt eine andere Ausgangslage als ein fixes Geschäft und damit wird gespielt: Nur bei mir verfügbar, nur heute verfügbar, der andere kauft gerade dasselbe. Dadurch habe ich als Käufer einen Druck: Wenn ich heute nicht zugreife, dann habe ich es verpasst. Davon lebt dieser Moment, sodass man Dinge kauft, auch wenn man dies im Nachhinein vielleicht sogar bereut.

Wie sehen denn die Unterschiede aus zu Shoppingcentern, Innenstädten oder Onlineshopping? Welche Faktoren spielen dort eine grössere Rolle?

Witzigerweise gibt es sogar relativ viele Parallelen zum Onlineshopping. Das heisst Onlineshopping – zum Beispiel in einer Black-Friday-Woche – funktioniert mit sehr ähnlichen Elementen: die künstliche Verknappung, die kurzfristige Verfügbarkeit, soundso viele Leute haben es schon gekauft. Ein grosser Unterschied zum Jahrmarkt ist sicher die Stimmung. Online kauft man reflektierter, vor allem bei grösseren Ausgaben. Das Gleiche gilt für die Einkaufsmeile.

Verkaufsstand mit Tüchern und Schmuck
Legende: Sieht man andere Leute etwas kaufen, steigt die Lust, es ebenfalls zu tun, sagt der Wirtschaftspsychologe. SRF / Annina Mathis

Dazu kommt noch der persönliche Bezug auf dem Jahrmarkt. Im Normalfall gibt man einer Verkaufsperson nicht so viel Zeit und Raum, um ihre Produkte anzupreisen und zu verkaufen. Und das hat sicher auch einen Einfluss darauf , wie wir auf diese Produkte reagieren.

Hat es in den letzten Jahren Veränderungen gegeben und wird es Jahrmärkte in Zukunft noch geben?

Grundsätzlich hat die Pandemie zu einer starken Verschiebung hin zu Onlinekäufen geführt, aber es gibt immer auch Gegentrends. Genau so, wie die Leute je länger je mehr über ihre Smartphones einkaufen, will man dieses Gerät auch endlich wieder einmal weglegen können und geht ganz bewusst auf einen Markt einkaufen.

Ein Einkauf auf einem Jahrmarkt ist auch so etwas wie Nostalgie, es führt einen etwas in alte Zeiten zurück.

Und der Einkauf auf einem Jahrmarkt ist natürlich auch so etwas wie Nostalgie, es führt einen etwas in alte Zeiten zurück. Darum glaube ich nicht, dass es stark abnehmen wird, weil es wirklich wie ein Punkt ist, den man gezielt und bewusst in einem Jahr setzt.

  Das Gespräch führte Nicolas Ledergerber.

Regionaljournal Ostschweiz, 20.10.2022, 17:30 Uhr ; 

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