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Staatsgelder für die Medien Beissen die Medien die Hand, die sie füttert, Frau Sommaruga?

Die Medienwelt ist im Umbau: digitaler und individueller soll sie werden. Gleichzeitig schwinden die Einnahmen. Der Bundesrat will die wegbrechenden Werbeeinnahmen teilweise kompensieren und den Medien mit zusätzlichem Geld unter die Arme greifen.

Der Nationalrat hat die vom Bundesrat beantragten 30 Millionen Franken für die Förderung von Online-Medien gutgeheissen. Zusätzlich hat er über 100 Millionen für die indirekte Presseförderung gesprochen – weit mehr, als der Bundesrat wollte. Kritikern warnen vor Abhängigkeiten. Bundesrätin Simonetta Sommaruga widerspricht.

Simonetta Sommaruga

Alt-Bundesrätin

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Simonetta Sommaruga wurde 1960 geboren. In Luzern liess sie sich zur Pianistin ausbilden. Ihre Konzerttätigkeit und pädagogische Arbeit führte Sommaruga am Konservatorium in Freiburg weiter. Ab 1993 war sie Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, von 2000 bis 2010 deren Präsidentin. Sommaruga war zwischen 1997 und 2005 Gemeinderätin in Köniz und von 1999 bis 2003 Nationalrätin. Von 2003 bis 2010 vertrat die SP-Politikerin den Kanton Bern im Ständerat. Sie war von November 2010 bis Ende Dezember 2022 Bundesrätin. Bis 2018 leitete Sommaruga das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Anschliessend war sie Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

SRF News: Ist das noch im Sinne des Bundesrats oder des Guten zu viel?

Simonetta Sommaruga: Bundesrat, National- und Ständerat sind sich einig, dass wir die Medien in dieser schwierigen Situation stärker unterstützen möchten. Sie sind wichtig für unsere Demokratie. Hier stimmen alle überein. Der National- und auch schon der Ständerat sehen bei der Sonntags- und Frühzustellung von Zeitungen eine zusätzliche Unterstützung vor. Das hatte der Bundesrat nicht angedacht.

Wir müssen schauen, dass es ein ausgeglichenes Paket gibt – vor allem zwischen den grossen Verlagshäusern und den kleineren, regionalen Medien. Diesbezüglich sind wir immer noch im Rahmen. Klar ist aber: Der Bundesrat hatte weniger Geld vorgesehen.

Die Befürchtung wird laut, dass die Medien die Hand, die sie füttert, nicht beissen wollen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

Bundesrat und Parlament haben vorgesorgt. Es ist ganz klar, dass die Unabhängigkeit der Medien gewährleistet bleiben muss. Das ist zentral für die Demokratie. Deshalb schreibt das Parlament die Beträge, mit denen die Medien unterstützt werden, jeweils ins Gesetz.

Die digitale Transformation findet statt und Journalismus kostet etwas – ob in der Zeitung oder online.

Damit soll vermieden werden, dass bei der Budgetberatung Abhängigkeiten entstehen. Das wurde bisher schon bei der Unterstützung von Zeitungen und Zeitschriften so gehandhabt. Neu sieht das Parlament dies auch bei der Unterstützung von Online-Medien so vor.

Ist es im digitalen Zeitalter noch zeitgemäss, die Zustellung von gedruckten Zeitungen mit Dutzenden Millionen Franken zu fördern?

Untersuchungen belegen, dass Zeitungen nach wie vor relevant sind. Auch für die Meinungsbildung in der Bevölkerung sind sie enorm wichtig und werden das auch bleiben. Gleichzeitig wissen wir, dass sich junge Menschen zunehmend oder zum Teil praktisch ausschliesslich online informieren. Deshalb war es mir so wichtig, dass wir in diesem Medienförderungspaket auch eine Unterstützung für Online-Medien vorsehen.

Es kann nicht sein, dass man nur das Papier unterstützt und dort, wo sich vor allem junge, aber generell immer mehr Menschen informieren, keine Förderung stattfindet. Die digitale Transformation findet statt und Journalismus kostet etwas – ob in der Zeitung oder online. Deshalb braucht es diese Förderung.

Gegner sagen, gerade online brauche es keine staatliche Förderung. Im Internet könne man schliesslich alles finden, was man wolle.

Man findet tatsächlich sehr viel im Internet. Über eine Gemeindeabstimmung findet man dann aber wieder nichts. Es braucht die lokale und regionale Berichterstattung. Das ist in unserer Demokratie, wo wir auch in den Gemeinden und Kantonen abstimmen, ganz wichtig. Deshalb muss auch dieses Online-Angebot unterstützt werden. Berichterstattung kostet – gerade im kleineren, lokalen Kreis. Dort hat man noch weniger Möglichkeiten, sich mit anderen Einnahmen zu finanzieren.

Das Gespräch führte Gaudenz Wacker.

Echo der Zeit vom 02.03.2021, 18 Uhr ; 

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