Normalerweise ist es ruhig in den Wohnquartieren in Zell im Kanton Luzern. Doch in letzter Zeit ist ein Geräusch allgegenwärtig: das Kreischen der Motorsäge. Seit Wochen werden Bäume gefällt, zerkleinert und mit einem Kran auf einen Lastwagen gehievt.
Der Grund für die Fällungen hat einen komplizierten Namen: Es geht um den asiatischen Laubholzbockkäfer. Dieser gefährliche, invasive Schädling kann innerhalb von kurzer Zeit ganze Wälder zerstören. Der Befall in der Gemeinde Zell ist der bisher grösste in der Schweiz.
Forstingenieur Miguel Zahner von der Dienststelle Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern organisiert in Zell die Bekämpfung. Befallen seien rund 75 Bäume. «Sicherheitshalber müssen im Umkreis von 100 Metern alle Laubbäume weichen. Gefällt wurden seit Herbst 225 Bäume.» Gemäss Zahner soll die grossflächige Fällung dem Käfer die Lebensgrundlage nehmen. «Es gibt keine Garantie, dass nicht irgendwo eine Ei-Ablage stattgefunden hat und dann der asiatische Laubholzbockkäfer wieder schlüpft.»
Die Bäume haben auch emotionalen Wert. Zum Beispiel, weil man sie zur Geburt bekommen hat.
Die betroffenen Baumbesitzer hätten zwar grösstenteils Verständnis, so Miguel Zahner, doch: «Es nimmt sie auch emotional mit. Die Bäume sind Schattenspender, ästhetisch schön und haben auch emotionalen Wert. Zum Beispiel, weil man sie zur Geburt bekommen hat.»
Auch Spürhunde im Einsatz
Die Wälder und Bäume in Zell werden derzeit akribisch überwacht. Förster und Baumkletterer kontrollieren regelmässig das betroffene Gebiet. «Einmal im Monat kommen auch Spürhunde zum Einsatz, die auf den Geruch des Käfers spezialisiert sind.» Insektizide werden nicht gesprüht, der Schaden für die Natur wäre zu gross.
Der Befall in Zell ist der bisher fünfte in der Schweiz, den die Behörden festgestellt haben. Seit 2019 galt die Schweiz eigentlich als befreit. Aline Knoblauch ist die Spezialistin für Waldgesundheit beim Bundesamt für Umwelt: «Die Erfahrung zeigt, dass der Käfer oft mit Holzverpackungen eingeschleppt wird.» Der Bund investiere deshalb seit einigen Jahren viel in die Prävention. «Importierte Waren von ausserhalb der EU mit hohem Risiko müssen angemeldet werden. Diese werden an der Grenze und im Landesinnern kontrolliert .» Als Risikowaren gelten gewissen Lieferungen in Holzverpackungen aus China.
Für den Menschen ungefährlich
Weiter setze sich der Bund auf internationaler Ebene dafür ein, dass Holzverpackungen aus Asien noch besser vorbehandelt werden gegen Larven. Taucht der Käfer trotzdem in der Schweiz auf, habe sich das radikale Vorgehen wie in Zell bewährt.
Ohne Fühler misst der Käfer 2.5 bis 3.5 Zentimeter. Er hat helle Flecken und lange Fühler und befällt Laubbäume wie etwa Ahorn, Birken, Rosskastanien, Pappeln oder Weiden. Forstingenieur Miguel Zahner: «Ein schöner Käfer eigentlich – nur gehört er nicht in die Schweiz». Die betroffenen Laubhölzer sterben in wenigen Jahren ab, was hohe ökologische und wirtschaftliche Schäden anrichtet. Für den Menschen ist der Käfer nicht gefährlich.
Im März ist wieder Flugzeit
In Zell laufen die Massnahmen derzeit auf Hochtouren. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, sagt Zahner: «Bis im März müssen die Fällungen abgeschlossen sein.» Danach komme die Flugzeit und die ausgereiften Tiere würden schlüpfen.
«Wir wollen verhindern, dass sie sich paaren und Eier legen.» Wie viele Bäume in Zell noch gefällt werden müssen, ist offen – leiser wird es in der kleinen Landgemeinde bis auf Weiteres jedenfalls nicht werden.