Die «heisse Phase» der Kampagne für einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat hat begonnen. Das markierte die Schweiz mit einer Veranstaltung am UNO-Hauptsitz in New York und einem Auftritt von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga und Aussenminister Ignazio Cassis in Bern. Die Wahl findet erst im Juni 2022 statt. Es handelt sich also nicht um einen Sprint, sondern um einen Langstreckenlauf. In diesen ist die Schweiz gut gestartet.
Wenn ein Land für den UNO-Sicherheitsrat kandidiert, ist eines besonders wichtig: das «Timing». Zunächst geht es darum, von der jeweiligen UNO-Staatengruppe aufgestellt zu werden. Im Fall der Schweiz ist das die Gruppe «Westeuropa und andere»; dazu gehören auch die USA, Kanada, Australien, Neuseeland und die Türkei.
Konkurrenz noch möglich
Für die Amtsperiode 2023/24 kann die Gruppe zwei Sitze neu besetzen. Falls die westliche Ländergruppe nur die bisher bekannten Anwärter Schweiz und Malta ins Rennen schickt, sind beide praktisch gewählt. Die UNO-Generalversammlung hat dann im Juni 2020 keine Auswahl und dürfte den Doppelvorschlag einfach abnicken. Wichtig ist also, seine Kandidatur nicht für eine Amtsperiode einzureichen, für die es etliche weitere Interessenten gibt und wo mit einer Kampfwahl zu rechnen ist.
Noch können weitere Länder aus der westlichen Staatengruppe den Hut in den Ring werfen. Bloss: Einfach ist das nicht. Denn eine Kandidatur ist mit grossem Aufwand verbunden und wird von sehr langer Hand vorbereitet. Die Schweiz hat ihre Kandidatur 2011 lanciert.
Keine Signale anderer Staaten
Als möglicher Konkurrent gilt Kanada. Es scheiterte im Juni mit seiner Kandidatur und probiert es womöglich für die Jahre 2023/24 erneut. Genannt wird auch die Türkei. Doch weder aus Ottawa noch aus Ankara hat die Schweiz bisher Signale, dass man sich ins Rennen begibt. Die Perspektive eines erstmaligen Schweizer Einsitzes im UNO-Sicherheitsrat ist also realistisch.
Trotzdem geht es nicht ohne Kampagne. Sie wird natürlich nicht öffentlich geführt, sondern innerhalb der UNO. Deren Mitgliedsländer bilden das Wahlgremium. Es gilt, positiv von sich reden zu machen und glaubwürdig zu bleiben. Das heisst, nicht plötzlich völlig überraschende Projekte und Anliegen zu vertreten, sondern auf bisherige Stärken zu bauen. Im Fall der Schweiz ist das etwa der Einsatz für das humanitäre Kriegsvölkerrecht, ihre Rolle als Brückenbauerin und Friedensvermittlerin.
Punkte holt auch, wer gute Köpfe für wichtige UNO-Funktionen zur Verfügung stellt und wer sich engagiert für Vorhaben, die den UNO-Kernanliegen Frieden, Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte dienen. Die Schweiz hat da einen guten Ruf. Sie ist sichtbar in der UNO und spielt in New York bereits jetzt in einer höheren Liga als es ihrer Bevölkerungszahl entspricht.
Positiver Rückkoppelungseffekt
In einer Welt sich zuspitzender Konflikte werden die Werte, für welche die Schweiz steht, erst recht wichtig, sagt Sommaruga. Die Schweiz könne im Sicherheitsrat einen Mehrwert bringen. Umgekehrt bringe die Mitgliedschaft einen Mehrwert für die Schweiz: Weil man international prominent Position beziehen muss, muss man sich auch innenpolitisch darüber verständigen, für welche Werte, Prinzipien und Politik man steht. Sommaruga rechnet daher mit einer Art positivem Rückkoppelungseffekt.
Andere neutrale Länder, Österreich, Schweden, Finnland oder Irland, waren mehrfach im Sicherheitsrat vertreten. Sie alle spielten dort eine konstruktive Rolle. Es spricht nichts dagegen, dass das auch der Schweiz gelingen wird.